Leverkusen Mit Witz und Wort gegen Vorurteile

Leverkusen · Erst wenige Stunden zuvor hat Kathrin Lemler ihren Vertrag als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Köln erhalten. Nun sitzt die 32-Jährige freudig erregt bei der vierten Folge der Leverkusener Literaturgespräche - einer Reihe der Stadtbibliothek in Kooperation mit der Volkshochschule und der Kölner Autorengruppe Faust. Und sie korrespondiert mit den Besuchern über ein System, das sich "Unterstützte Kommunikation" (UK) nennt, eine Art Sprachcomputer, den sie mit den Augen steuert.

 Kathrin Lemler (2.v.r., im Gespräch mit Moderatorin Nicole Goudarzi, r.) - Autorin, Masterstudentin, Regisseurin - zu Gast bei den Literaturgesprächen.

Kathrin Lemler (2.v.r., im Gespräch mit Moderatorin Nicole Goudarzi, r.) - Autorin, Masterstudentin, Regisseurin - zu Gast bei den Literaturgesprächen.

Foto: UM

Kathrin - Erziehungswissenschaftlerin, Masterstudentin, Projektleiterin, Referentin, Autorin, Regisseurin - ist hübsch, selbstbewusst, intelligent. Sie weiß, was sie will. Menschen, die sie zum ersten Mal sehen, denken vielleicht, sie hätte Pech im Leben, weil sie behindert ist und im Rollstuhl sitzt. Doch mit ihrer angeborenen Krankheit, die sich Infantile Cerebralparese nennt und unter anderem mangelnde Kontrolle über Muskeln bewirkt, geht sie locker um. Bisweilen scherzt sie darüber. Denn sie sagt, kein Mensch sei perfekt. Als sie an diesem Abend gefragt wird, ob sie sich vielleicht im falschen Körper fühlt, lautet ihre Antwort aus dem Sprachcomputer: "Nein, meine Behinderung gehört zu mir. Anders möchte ich nicht sein." Ob es anstrengend sei, so zu kommunizieren? "Gegenfrage", sagt sie: "Ist sprechen für Sie anstrengend?"

Ella Sebastian-Strube liest Texte aus einigen der von Lemler verfassten Bücher. Darunter sind ein in fünf Sprachen übersetztes Kinderbuch mit dem Titel "Kathrin spricht mit den Augen", ein Theaterstück für die "Opernwerkstatt am Rhein" und Kurzgeschichten. "Texte sind ihre Limonade, ihre persönliche Zitrone ist die Behinderung", erläutert Moderatorin Dr. Nicol Goudarzi, ehe Kathrin sagt, dass sie beides zu Zitronenlimonade verarbeitete.

Über Computerprobleme bei ihrer Masterarbeit - Studiengang Rehabilitationswissenschaften - kann sie nur lachen: "Was hat mein PC für ein Glück, dass ich ihn nicht aus dem Fenster schmeißen kann." Kathrin ist anzusehen, dass sie stolz ist auf das Erreichte. "Ein bisschen stur muss man sein, um sich als Körperbehinderte gegen Vorurteile der Mitmenschen durchzusetzen."

(gkf)
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