Leverkusen Neue britische Züge mit alter deutscher Verspätung

Leverkusen · Den Ernstfall probt National Express jetzt mit neuen Zügen auch auf Opladener Gebiet. Unsere Reaktion ging auf Vergleichsfahrt: Der erste Eindruck? Kommt zu spät. Und zwar zehn Minuten.

So weit hängt der Zug, der auf den Namen "Talent 2" hört, hinter dem Fahrplan zurück, als er Montagvormittag um Viertel vor elf den Opladener Bahnhof erreicht und knapp 20 Fahrgäste aufnimmt, um sie in Richtung Bergisches Land mitzunehmen.

Zwar sind die blau-weißen Züge von National Express Rail bereits seit einigen Wochen auf der Strecke zwischen Rheinland und Westfalen unterwegs — 70.000 Kilometer wurden laut des Unternehmens bereits zurückgelegt mit den neuen Zügen, die ohne Stopp bis zu 160 Kilometer pro Stunde zurücklegen könnten. Aber nun ist die Zeit der reinen Test- und Schulungsfahrten vorbei. Bevor das Tochterunternehmen britischer Abstammung am 13. Dezember den regulären Betrieb des RE 7 und der RB 48 von der Deutschen Bahn übernimmt, wird zwei Wochen lang der "Ernstfall" geprobt: Seit Sonntag übernimmt National Express vereinzelte Fahrten auf den Linien, die beide Haltepunkte in Opladen vorsehen, die RB 48 hält zudem in Leichlingen. Erstmals werden also echte Fahrgäste transportiert.

Während Talent 2 leise in Richtung Solingen Hauptbahnhof beschleunigt, weiß das Innere beim Fahrgast vor allem mit einer Eigenschaft zu punkten: neu. Die blauen Sitze wirken, als ob sie nie benutzt wurden (vermutlich ist das so), und nirgendwo, selbst auf dem in Holz-Optik gehaltenen Kunststoffboden, sind bei nahem Hinsehen Gebrauchsspuren zu entdecken. Zur entspannten Atmosphäre trägt hier und heute bei, dass jeder Fahrgast, der einen möchte, auch einen Sitzplatz bekommt.

"Ich wusste gar nicht, dass er schon fährt. Aber mir gefällt der Zug", sagt Fahrgast Ulrich Eiselt. Er ist auf dem Weg von Stuttgart nach Wuppertal, hat heute also schon ein paar Vergleichskilometer zurückgelegt mit der Bahn. "Alles wirkt auf mich freundlich und einladend. Und die Sitze sind bequem." Und es schläft sich offenbar auch gut darauf. Das legt zumindest der Anblick einer dösenden jungen Frau ein paar Meter weiter nahe. Dass bald das Vereinigte Königreich und nicht mehr die Deutsche Bahn die Geschicke auf den Gleisen zwischen Krefeld und Rheine lenken wird, stört Eiselt nicht. "Das ist doch kein Problem. Hauptsache ist, dass gefahren wird und das am besten pünktlich."

Ein Mangel im neuen Zug tritt indes hinter einer Schiebetür zutage: auf dem WC. Über dieses stille Örtchen, mit seiner verstopften Schüssel samt eines Inhalts, den zwischen Frühstück und Mittagessen wirklich niemand erblicken möchte, sollte in der Tat eigentlich der Mantel des Schweigen gehüllt werden.

Immerhin: Bis zur Ankunft am Wuppertaler Hauptbahnhof kommen keine weiteren Verspätungs-Minuten hinzu. Dort fährt kurz darauf eine Regionalbahn 48 der Deutschen Bahn ein und erlaubt auf dem Weg zurück nach Opladen einen direkten Vergleich zwischen beiden Bewerbern. Nicht ganz so neu, aber auch mit blauen Sitzen und durchaus sauber sowie mit einer funktionierenden Toilette an Bord setzt sich der Zug um 11.21 Uhr in Bewegung: pünktlich wohlgemerkt. Damit ist es allerdings in Gruiten schon wieder vorbei. Dort muss er eine außerplanmäßige Pause einlegen, damit ein schnellerer überholen kann.

Da hat man gleich wieder Ulrich Eiselt im Ohr: "Es liegt nicht unbedingt an der Gesellschaft, ob ein Zug pünktlich ist oder nicht", hat der Bahn-Fahrer vorhin noch gesagt. Und, dass man erst einmal abwarten muss, bis sich sagen lässt, wie der neue Betreiber sich so macht auf den beiden Linien: "Fragen Sie mich in einem Jahr nochmal", dann könne er über mehr berichten als nur über seinen ersten Eindruck.

(rz)
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