Leverkusen Neue Gesetze rauben Schuldnerberatung die Zeit

Leverkusen · Herr X versuchte nach der Rückkehr vom Auslandseinsatz in der Bundeswehr den Schritt in die Selbstständigkeit, was allerdings schief ging. Er hätte eigentlich eine Therapie gebraucht, um seine Erlebnisse in Afghanistan zu verarbeiten. Zum beruflichen Misserfolg kam der private: Die Beziehung ging in die Brüche. Als Herr X seine Schulden nicht mehr überblicken konnte, suchte er Hilfe bei der Entschuldungshilfe des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM), der diesen Dienst neben Awo und Diakonischem Werk in Leverkusen anbietet. Michael Zeihen vom SKM schilderte diesen Fall vor dem Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Senioren, um zu verdeutlichen, dass Schuldnerberatung mehr umfasst als nur Hilfe beim Ausfüllen von Formularen, Verhindern von Kontopfändungen oder Stromsperre.

"Wir arbeiten nicht nur mit Zahlen, sondern mit Menschen", sagt Zeihen. Und die haben in der Regel etliche Probleme, nicht nur finanzieller Art. Im beschriebenen Fall öffnete sich der Klient im Gespräch mit den Schuldnerberatern, die ihm dann bei der Hilfe nach einem Therapeuten behilflich waren. Ohne diesen ganzheitlichen Ansatz hätte er seine Probleme bis heute nicht weitgehen in den Griff bekommen.

Dieser Anspruch, den auch die Kollegen von Awo und Diakonischem Werk haben, kostet allerdings Zeit. Und die wird bei den Schuldnerberatern immer knapper.

Unter anderem wegen einer 2014 beschlossenen Gesetzreform zur Verbraucherinsolvenz. Die schreibt eine aufwendige Bemühung um außergerichtliche Einigung vor. Die dauere allerdings, je nach Anzahl der Gläubiger, Wochen oder gar Monate, sei aber in der Regel völlig aussichtslos, bestätigten die anwesenden Vertreter der drei Schuldnerberatungen einstimmig. Rund acht Jahre habe die politische Diskussion über die gesetzliche Neuregelung gedauert, die aber keine Verbesserung gebracht habe. Im Gegenteil bindet sie ebenso zusätzlich Arbeitskraft, wie die seit 2015 vorgeschriebene Beteiligung an der Bundesstatistik, die jetzt einzelfallbezogen aufgelistet werden müsse. "Wie kriegen wir das in den Griff?" Diese Frage stellten die Berater den Politikern im Ausschuss. Denn gleichzeitig steigen die Fallzahlen jährlich. Bisher war man in Leverkusen stolz auf die gute Qualität der Arbeit, die den ganzen Menschen in den Blick nimmt. Und auch auf die relativ kurze Wartezeit von maximal vier bis sechs Wochen. In Köln betrage die Wartezeit zwischen sechs Monaten und einem Jahr. In Härtefällen wird sofort gehandelt, etwa wenn eine Stromsperre droht.

(mkl)
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