Leverkusen Pianist Kamenz entführt in die Hölle

Leverkusen · Während des Klavierabends im Spiegelsaal von Schloss Morsbroich erstarrte das Publikum regelrecht, so fasziniert und gebannt starrte es auf die fliegenden Hände des Pianisten, der gleich mehrere hochvirtuose Stücke in sein Programm genommen hatte. An zwei Klassiksonntagen hatte Igor Kamenz bereits als Solist mit der Westdeutschen Sinfonia Leverkusen besten Eindruck hinterlassen. Höchste Zeit, den unglaublich kraftvollen, energischen und treffsicheren Pianisten zum Recital in intimerem Rahmen zu bitten.

 Verlangte dem Steinway im Schloss alles ab: Igor Kamenz.

Verlangte dem Steinway im Schloss alles ab: Igor Kamenz.

Foto: KSL

Und dort mochte man mitunter auch schmunzeln, weil das Spiel bekannte Liszt-Karikaturen ins Gedächtnis rief, die den virtuosen Komponisten in Aktion zeigen und dabei fliegen die Tasten. Auch wenn es durchaus Grund zur Befürchtung gab: Der Steinway hat den Abend überstanden, musste allerdings in der Pause nachgestimmt werden. Denn da hatte Igor Kamenz seine Zuhörer schon mit wilden Akkordsprüngen in die brodelnde Höllenwelt befördert, die Dante Alighieri in seiner "Göttlichen Komödie" ausmalt. Hier in der Fantasia von Franz Liszts "Après une lecture du Dante" stürzt die elektrisierende Musik alle mit in den Abgrund. Sicher und garantiert an keiner Stelle absturzgefährdet meisterte Igor Kamenz den Ausflug in die Unterwelt ebenso wie die folgende rauschhafte Vision Richard Wagners von "Isoldes Liebestod", in der Klavierfassung dessen Schwiegervaters Franz Liszt.

Nach der Pause ließ Kamenz am gestimmten Flügel Igor Strawinskys Petruschka aus der Ballettmusik-Kiste springen: ungestüm und rasend, zwischendurch mit melancholisch verliebten Momenten. Erstaunlich, wie schnell diese kraftvoll springenden und hackenden Hände sensibel und geradezu zärtliche Melodik entwickeln können. Mehr davon gab es mit Maurice Ravels "Pavane pour une Infante défunte", mit dem der Pianist aufgewühlte Gemüter beruhigte. Kurzfristig jedenfalls, denn er schloss das Programm, das die zauberhaft gespielte Miniatur "Les Barricades Mystérieuses" von François Couperin eröffnet hatte, mit einem wahren Virtuosenkiller.

Die Fantaisie Orientale op. 18 "Islamey" stellte dann alles in den Schatten. Halsbrecherische Akkordsprünge und -ketten oder rasante Steigerung eines kaukasischen Volkstanzes meisterte Kamenz mit ungebremster Kraft und nicht nachlassender Energie. Damit schlug er den Bogen zu Liszt, der dieses Wahnsinns-Stück angeblich vom Blatt gespielt haben soll. Nach so viel Dauerpower kam als Zugabe eine nochmals sichere motorische Höchstleistung von Bach.

(mkl)
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