Leverkusen Reise in die Heimat endet in der Zelle

Leverkusen · Weil es seiner Großmutter so schlecht geht, machte sich Murat (Name geändert) Anfang März auf den Weg zu ihr ins östliche Anatolien, wie er es schon so oft getan hatte. Doch beim Umsteigen im Flughafen Istanbul war seine Reise abrupt zu Ende.

Einreiseverbot! Murat kann nicht erklären, warum ihn die türkischen Behörden nicht mehr in das Land lassen, in dem seine Eltern geboren sind, bevor sie vor 30 Jahren nach Deutschland ausgewandert sind. Das Land, in dem seine Verwandten, darunter beide Großmütter, leben. Dass Murat Kurde ist, steht nicht in seinem Pass, doch sei das aufgrund seiner örtlichen Herkunft und Reiseroute, womöglich auch an seinem Akzent erkennbar, sagt der Leverkusener. Politisch engagiert habe er sich nie, weder für ein freies Kurdistan, noch gegen Erdogan, beteuert Murat nachdrücklich. "Ich habe mich weder öffentlich geäußert, noch in den sozialen Netzwerken", sagt er. Er sei kein politischer und kein religiöser Mensch.

Ob Murat seine beiden Omas noch einmal sehen wird, ist nicht absehbar. Es handele sich um ein befristetes Einreiseverbot, antwortete das türkische Konsulat Murat auf seine Nachfrage, ohne eine Frist zu nennen, berichtet der junge Mann. Er sei ein "Sicherheitsrisiko", wurde ihm schriftlich mitgeteilt. In welcher Hinsicht, stand da nicht. "Ich kann mit meinem deutschen Pass durch die ganze Welt reisen, nur nicht in meine Heimat", sagt Murat. Ist die Türkei noch seine Heimat? Murat zögert einen Augenblick. "Eigentlich habe ich außer meinen Verwandten keine Bezüge mehr, würde aber weiterhin gerne als Tourist dorthin reisen", sagt er. Und: "Ich bin mehr deutsch als alles andere." Dennoch schmerzt es ihn. "Es ist ein Einreiseverbot ohne Grund."

Murat gibt nicht auf. "Wir raten Ihnen, einen Rechtsanwalt einzuschalten", schreibt das Auswärtige Amt ihm auf seine Anfrage und legt eine "aktualisierte Rechtsanwaltsliste des Generalkonsulats Istanbul" bei. Über seine Rechtsschutzversicherung will er sich um einen Anwalt bemühen.

Murat ist kein Einzelfall. "Ein türkischer Leverkusener sitzt seit mehreren Monaten in der Türkei im Gefängnis, weil er sich in Deutschland auf Facebook kritisch über Erdogan geäußert hat. Er wurde bei seiner Einreise am Flughafen verhaftet", berichtet Özgür Kaya von der neu gegründeten "Leverkusener Nein-Intiative", die sich - wie bereits in anderen Städten Deutschlands und Europas - öffentlich gegen das autoritäre System von Erdogan wendet. Der Initiative sei außerdem der Fall eines Kindes bekannt, das zwar einen deutschen Pass, aber türkische Wurzeln habe und am Flughafen in der Türkei wieder zurück nach Deutschland geschickt worden sei. "Und zwar ohne Begründung."

(RP)
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