Leverkusen Riechen, drücken, knicken, kosten: Zwei Dutzend Christstollen im Test

Leverkusen · In den Luminaden stellte sich ein Dutzend Innungs-Bäcker einer Prüfung ihrer Weihnachtsstollen.

 Tausende Kalorien für nur einen Stollenprüfer: Karl-Ernst Schmalz (3.v.l.) testete gestern die Stollen von Bäckern aus der Region auf ihre inneren und äußeren Werte. Unter anderem nahm er Geruch, Geschmack, Form, Aussehen, Oberfläche, Lockerung, Struktur und Elastizität unter die Lupe.

Tausende Kalorien für nur einen Stollenprüfer: Karl-Ernst Schmalz (3.v.l.) testete gestern die Stollen von Bäckern aus der Region auf ihre inneren und äußeren Werte. Unter anderem nahm er Geruch, Geschmack, Form, Aussehen, Oberfläche, Lockerung, Struktur und Elastizität unter die Lupe.

Foto: uwe Miserius

Das Muster, nach dem Karl-Ernst Schmalz Weihnachtsstollen unter die Lupe nimmt, ist immer gleich: Er schneidet eine Scheibe aus der Mitte des Laibes heraus, schaut sie kritisch an, prüft mit einem Daumendruck die Festigkeit, riecht daran, knickt sie in der Mitte und steckt dann endlich ein Stück in den Mund. Zwei Dutzend Mal macht er das. So viele Gebäck-Stücke wurden ihm von Innungsbäckern aus Leverkusen, Rheinisch-Bergischem und Oberbergischem Kreis serviert. Denn er ist so etwas wie ein offizieller Stollen-Prüfer - und man fragt sich, ob Schmalz ein Künstlername sein könnte.

Seine Expertise nimmt der Mann vom Institut für Qualitätssicherung von Backwaren in den Luminaden vor. Schließlich soll das Ganze Beachtung finden, ist als Werbung gedacht. Als Werbung für das Handwerk, für überdurchschnittliche Zutaten, für guten Geschmack. Allerdings ist es am Fuße der Rolltreppen kühl und zugig. "Da wird die Butter in den Stollen härter, und das verändert die Konsistenz", gibt Ralf Gießelmann zu Bedenken. Er ist einer von einem Dutzend Bäcker, die sich der Prüfung stellen. Unter anderem schickt er einen Stollen mit Dinkel-Vollkorn und Bergischem Landbier ins Rennen. "Man muss erfinderisch sein. Schließlich gilt es, satte Kunden hungrig zu machen", sagt der Bäcker aus Bergneustadt.

Schmalz hat das erste Drittel geschafft. Bei ihm zählt alles - äußere und innere Werte: "Man sieht keinem Stollen an, ob er schmeckt. Dazu muss man reinbeißen." Dann knickt er eine Scheibe, bis sie reißt. "Industrie-Stollen, wie er in vielen Discountern verkauft wird, ist oft zäh, der reißt erst sehr spät", erläutert er. 28 Berufsjahre hat er angehäuft. Meist testet er Brot und Brötchen, seit einigen Jahren aber auch das Weihnachtsgebäck. Die besten davon wird er am Ende mit dem IQ-Back-Siegel auszeichnen.

Die Bäcker schätzen sein Urteil. "Man bekommt gute Anregungen, was man verbessern kann", sagt der Lützenkirchener Stefan Willeke. Eine wichtige Zutat für einen guten Stollen ist nach seiner Anleitung: Zeit. Von Persipan, einer Art Marzipan-Ersatz aus Aprikosenkernen, sollte man dagegen die Finger lassen. Stattdessen richtiges Marzipan, große Rosinen ("am besten so groß wie Weintrauben") und viel Butter. Klingt nicht nur sündhaft, ist es auch: "Ein Stollen für die schlanke Linie ist eine dünne Scheibe Stollen", sagt Willeke, der neben klassischen Butter-Marzipan-Stollen auch Champagner- und Dinkel-Stollen dabei hat.

Schmalz hebt den Blick von der Puderzucker-Welt vor ihm und lässt durchblicken, dass er es klassisch mag, aber Neuem gegenüber aufgeschlossen sei. "Ich hatte schon Stollen mit Paprika und Chili. Warum nicht? Man muss sich auch mal absetzen vom Herkömmlichen. Die Kreativität ist eine der Stärken der Qualitäts-Bäcker." Abseits dieses Plädoyers kommen die Bäcker untereinander ins Fachgespräch: Gehen Kirschen statt Rosinen? Gehören Orangeat und Zitronat hinein? Sollte in oder ohne Form gebacken werden? Ist der Dresdener Stollen so gut wie sein Ruf? Antwort auf alles: Geschmackssache. Ohnehin: "Stollen schmeckt nie gleich, auch wenn man die gleichen Zutaten nimmt. Selbst das Wetter hat Einfluss aufs Backen", sagt Bruno Kohlenbach. Durch die Butter und die Trockenfrüchte sei das Gebäck im Übrigen lange haltbar. "Ich habe zuletzt einen gefunden, der war ein Jahr alt, aber es gab nichts zu beanstanden", sagt der Bäcker aus Bürrig.

Schmalz ist fast fertig. "Heute brauche ich nichts Süßes mehr", sagt er mit Augenzwinkern. Und obwohl schon morgen in Koblenz die nächste Verkostung wartet, versichert er glaubhaft seine Zuneigung: "Von den besten Stollen, die ich prüfe, nehme ich mir sogar manchmal welchen mit nach Hause."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort