Leverkusen Schach-Novelle

Leverkusen · Bei der ersten Auflage von Museum Literale stand ein Klassiker im Mittelpunkt: die Schachnovelle von Stefan Zweig. Schauspieler Volker Ranisch las aus dem Buch vor und verstand es dabei, für Spannung unter den Gästen zu sorgen.

 Verzichtete auf Mikrofon und jegliche ausschmückende oder deutende Gestaltung und ließ stattdessen den puren, unverfälschten Erzähltext wirken: Volker Ranisch.

Verzichtete auf Mikrofon und jegliche ausschmückende oder deutende Gestaltung und ließ stattdessen den puren, unverfälschten Erzähltext wirken: Volker Ranisch.

Foto: Uwe Miserius

MuseumLitterale feiert 2016 einen runden Geburtstag. Vor 20 Jahren erfand Buchhändler Manfred Gottschalk dieses Format, das den Kunstort mit Literatur verbindet, und seitdem in Kooperation mit KulturStadtLev stattfinden kann. Vorzugsweise im Spiegelsaal, der das bestmögliche Ambiente für Autorenlesungen bietet. Wenn dieser anderweitig belegt ist, weicht man in den Gartensaal aus wie bei der ersten Veranstaltung dieses Jahres, in der keine Neuerscheinung vorgestellt wurde, sondern ein Klassiker: Die Schachnovelle von Stefan Zweig.

Obwohl er die Erzählung bereits während des Zweiten Weltkriegs im brasilianischen Exil schrieb, erschien sie erst 1974 auf Deutsch. Längst ist sie Standardwerk, wird als Schullektüre eingesetzt und ist in diversen Ausgaben erschienen. Zu sehen auf dem Büchertisch bei Museum Litterale, wo sämtliche Varianten lagen, die Gottschalk auftreiben konnte - vom billigsten Heft für 1,30 Euro bis zum dekorativen Sonderdruck im Miniaturformat, kaum größer als eine Streichholzschachtel, samt Schuber für 25 Euro.

Schauspieler Volker Ranisch, zum fünften Mal mit einem literarischen Soloprogramm in der Reihe zu Gast, las Stefan Zweigs Schachnovelle vor. Dabei verzichtete er sowohl auf ein Mikrofon als auch auf jegliche ausschmückende oder deutende Gestaltung und ließ stattdessen den puren, unverfälschten Erzähltext wirken. Der enthält ohnehin alles, ist ausgereift und trefflich formuliert. Dass Ranisch es sich dabei nicht im Lesesessel gemütlich machte, sondern aufrecht stand, erhöhte nur die wachsende Spannung im Raum. Obwohl doch alles so unspektakulär beginnt, wenn der Ich-Erzähler die Schiffspassage von New York nach Buenos Aires beschreibt in der Hoffnung, dem Mitreisenden Schachweltmeister Mirko Czentovic zu begegnen.

Dank Öl-Millionär McConnor kommt es dazu, denn der fordert das junge Genie zur Partie auf, gegen großzügige Bezahlung. Der gewinnt erwartungsgemäß, obwohl er gegen eine ganze Gruppe von Passagieren antritt. Bei der Revanche wendet sich das Blatt, als sich der mysteriöse Dr. B. einmischt.

Die eigentliche, politische Botschaft der Erzählung steckt in der Geschichte dieses Österreichers, der von den Nazis in Einzelhaft genommen wurde und in der Isolation seinen Verstand zu verlieren drohte. Seine Rettung verdankt er einem kleinen Schachbuch, das er vor dem Befragungszimmer entdeckt und an sich nimmt. Das kann er bald auswendig und spielt in Gedanken die Partien nach, gegen sich selbst. Aber die Übertragung der Theorie in die Realität führt zu massiven psychischen Problemen.

Passend zum Text war der Gartensaal dekoriert mit Schachbrettfries an der Wand, und auf den Tischen standen schwarz-weiße Knabbereien.

(mkl)
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