Leverkusen Schwarm der Schwiegermütter

Leverkusen · Ganz in schwarz erscheint Kultautor Wladimir Kaminer zu seiner Lesung bei der Leverkusener Buchwoche. Auf dem Programm stehen "Meine kaukasische Schwiegermutter" und Geschichten, die in keinem seiner Bücher stehen.

Bereits über zehn Lesebegeisterte warten am Donnerstagabend schon um sechs auf den Einlass in die Bibliothek in der Rathausgalerie. Die meisten von ihnen tragen ein oder zwei Bücher unter dem Arm, bereit um mit einem Autogramm versehen zu werden. Denn an diesem Abend wird der Kultautor Wladimir Kaminer im Rahmen der Bücherwoche "Lev liest" eine Lesung halten.

Alles ist echt

Um halb sieben werden dann endlich die Türen geöffnet. Schnell, aber doch auf Anstand bedacht eilen die Wartenden Richtung Rednerpult, um sich einen Sitzplatz ganz nah an Kaminer zu sichern. Dieser betritt die Bibliothek jedoch erst um sieben Uhr. Dunkle Hosen und ein lockeres schwarzes Hemd, das nicht in der Hose steckt, hat er sich ausgesucht. Sofort will er wissen, ob ein Standmikrofon und eine Stereoanlage für seine eigene Musik vorhanden seien. Mitarbeiterinnen der Bibliothek wuseln umher, um zu schauen, ob auch alles wunschgemäß vorhanden ist. Alles da, alles geregelt. Noch hat der gebürtige Russe etwas Zeit, bis er mit seiner Lesung anfangen kann.

An diesem Abend wird er aus seinem aktuellen Buch "Meine kaukasische Schwiegermutter" lesen. Aber auch Geschichten, die in keinem seiner Bücher zu finden sind, wird er dem Publikum nicht vorenthalten. Das wichtigste seiner Geschichten: Alles ist echt. "Die Aufgabe der Literatur ist es, Erinnerungen festzuhalten. Das ist eine Art lebendiges Denkmal. Die Erinnerungen sollen den Menschen in der Zukunft helfen, mit ihrer Realität klarzukommen", erklärt er. Zum lebendigen Denkmal ist nun auch seine Schwiegermutter geworden. Nicht nur in schriftlicher Form lernt der geneigte Leser die kaukasische Verwandtschaft Kaminers Frau Olga kennen, sondern auch im Film "Kaminer goes Kaukasus".

"Meine Schwiegermutter spricht zwar kein Deutsch, aber sie weiß ja genau, was ich geschrieben habe, weil das ja alles ihre Geschichten waren. Den Film habe ich extra auf russisch synchronisiert und in zehn Kopien in den Kaukasus geschickt. Jetzt ist das dort so ein kleines Highlight", sagt er mit stolzem Lächeln. Ein weiter Film ist aber noch nicht in Planung. "Ich weiß nicht, ich bin für den direkten Kontakt. Find ich besser als mit irgendeinem Drehbuch", sagt der Wahlberliner. Den direkten Kontakt nutzt auch gleich eine ältere Dame, die Kaminer nach dem richtigen Alter seiner Schwiegermutter fragt. Nun ist der wortgewandte Mann zum ersten Mal lange still. "Sie haben mich total durcheinandergebracht." Nach einigen Minuten fällt es ihm dann doch ein: "Geboren 1940. Aber sie sieht jung aus." So einen charmanten Schwiegersohn wünscht sich jede Mutter.

(RP)
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