Leverkusen Spiel ohne Grenzen?

Leverkusen · Kommunen versuchen, Spielhallen einzuschränken, meist erfolglos. Der Glücksspielstaatsvertrag ist offenbar ein stumpfes Schwert.

 Glücksspielmeile Bahnhofstraße in Opladen - auf engem Raum gibt es dort gleich drei Spielhallen. Nach den Vorgaben des Glücksspielvertrags liegen sie zu dicht beieinander. Härtefallregelungen könnten sie aber schützen.

Glücksspielmeile Bahnhofstraße in Opladen - auf engem Raum gibt es dort gleich drei Spielhallen. Nach den Vorgaben des Glücksspielvertrags liegen sie zu dicht beieinander. Härtefallregelungen könnten sie aber schützen.

Foto: Bernd Bussang

Im "Rio" ist es leer und dunkel. Die Copacabana ist weit weg. Eine Mitarbeiterin sitzt verloren in ihrem Sessel und wartet auf Kunden. Ferienzeit. Mittagszeit. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um mit Spielhallenkunden ins Gespräch zu kommen. "Die kommen eher am Monatsanfang", sagt die freundliche Mitarbeiterin. Wenn die Lohntüten noch voll sind. Dann sitzt manch einer auch mal länger vor dem Automaten. "Bis die Frau kommt oder der Mann und den jeweils anderen abholt", sagt die Mitarbeiterin. Sie macht den Job seit 20 Jahren. "Manchmal kommen Paare auch gemeinsam, das sind unsere besten Kunden." Die Mitarbeiterin grinst und wird dann gleich wieder ernst. "Man muss wissen, wo die Grenze ist - wenn es wehtut, muss man aufhören", so lautet ihre Maxime, die sie, sobald es nötig wird, auch mal mit Nachdruck an ihre Kunden weitergibt.

Wo ist die Schmerzgrenze in Leverkusen? Insgesamt gibt es in der Stadt etwa 800 Geldspielgeräte. Das sind pro 100.000 Leverkusener 508 Geräte (laut Erhebung des Stadtmarketing-Unternehmens Cima). Zum Vergleich: In NRW liegt der Durchschnitt bei 336 Geräten. Insgesamt haben sich über das Stadtgebiet 42 Spielhallen (davon 14 Wettbüros), vier Erotiketablissements (Betriebe des Gunstgewerbes wie Nachtbars, Sauna- und Swingerclubs) und 13 Freizeitstätten - Diskos und Kinos - niedergelassen. Sammelpunkte sind Wiesdorf und Opladen. Auf der dortigen Bahnhofstraße, an der auch das "Rio" liegt, sind es allein drei Spielhallen. Doch das könnte sich bald ändern. Hintergrund: Der Glücksspielstaatsvertrag, der jetzt für rechtens erklärt wurde, wurde 2012 aufgelegt. Er sieht unter anderem vor, dass es keine Mehrfachkonzessionen für Spielhallenbetreiber mehr gibt - also pro Einrichtung nur noch zwölf Geräte aufgestellt werden dürfen. Heute sind es weit mehr. Außerdem müssen die Spielhallen um 1 Uhr schließen, Ausnahmen sind nicht möglich. Auch müssen mindestens 350 Meter Luftlinie zwischen zwei Spielstätten liegen.

Leverkusen: Spiel ohne Grenzen?
Foto: Bussang

Auf der Bahnhofstraße in Opladen ist das eben nicht der Fall. Denn nur wenige Schritte vom Rio entfernt, befinden sich die "Spiellounge Leverkusen" und das "Game World", das nun von "Admiral" betrieben wird. Im Foyer des "Admiral" wird der Gast von einem leblosen einarmigen Piraten in Lebensgröße empfangen, eine Polizistenfigur zieht eine Waffe, und eine goldlackierte Freiheitsstatue reckt stumm die Fackel empor. Von dem neuen Glückspielstaatsvertrag hat Daniel Jasper noch nichts gehört. Darum kümmert sich seine Chefin. Daniel ist erst ein halbes Jahr im Job. Damit er seine Aufgaben kennt, ist er eigens geschult worden. Wie klärt man Spielanfänger auf? Wann ist es Zeit einzugreifen? "Wir kennen unsere Stammgäste und bekommen schnell mit, wenn es einer übertreibt", sagt Jasper. "Dann gehe ich mal mit ihm vor die Türe eine rauchen und frage, was mit ihm los ist." Seinen kräftigen Körper musste der Aufpasser bisher nur selten einzusetzen, allenfalls dann, wenn ein frustrierter Spieler voller Wut gegen den Automaten schlägt.

Der Gesetzgeber hat den Betreibern eine fünfjährige Übergangsfrist eingeräumt. Die endet in diesem November. Bis hierhin kommen die Städte und Gemeinden klar, doch mit der Einräumung des Härtefalls für Bestandsspielhallen eben nicht. Solche Anträge auf Härtefallregelungen liegen bei der Leverkusener Stadtverwaltung bereits vor - "wir haben keine Veranlassungen, diese Anträge abzulehnen", sagt Michaele Drescher, Leiterin des Fachbereichs Recht und Ordnung. Langfristige Mietverträge und hohe Investitionen etwa in Spielautomaten könne solche "Härtefälle" begründen. Werden Anträge abgelehnt, drohen den Kommunen Klagen der Betreiber und Prozessrisiken. "Die sind sehr versiert und würden solche Rechtsstreitigkeiten kompetent führen", sagt Drescher. Die Härtefallklausel sichert im Einzelfall den Bestand bis 2022. Für die Fachbereichsleiterin ist aber auch klar: "Bei einem Betreiberwechsel wird es keine neue Konzession mehr geben."

Leverkusen: Spiel ohne Grenzen?
Foto: Bussang

So gehen viele Kommunen davon aus, dass sich kurzfristig an der Zahl der Spielhallen wenig ändern wird. Tobias Dunkel, Sprecher im Innenministerium, widerspricht: "Natürlich wird sich die Zahl der Einrichtungen reduzieren", sagt er auf RP-Anfrage und begründet das damit, dass die alten Konzessionen der bestehenden Spielhallen ab November nicht mehr rechtmäßig seien, sie laufen aus. Grundsätzlich müsse die Stadt alle Spielhallen neu konzessionieren, alle Betreiber müssen neue Anträge auf Einrichtung stellen. Die seien dann nach den Kriterien, die der Erlass auch zu den Härtefällen regelt, zu prüfen. Darin heißt es: "Es obliegt dem Betroffenen, die Gründe, die zur Annahme einer unbilligen persönlichen Härte führen, durch geeignete Unterlagen auf eigene Kosten, vorzutragen und nachzuweisen." Im Anschluss gibt der Erlass (vom Mai 2016) durchaus einige Kriterien an, die für die Prüfung des Härtefalls herangezogen werden können. Fest steht bisher offenbar, dass sich weiterhin Gerichte mit der Materie beschäftigen müssen. Dunkel: "Auch die Lobbyverbände arbeiten seit fünf Jahren daran, wie ihre Mitglieder um die neuen Regeln herumkommen können." Das sei immerhin deren Aufgabe.

Glücksspielmeile Bahnhofstraße in Opladen - auf engem Raum gibt es dort gleich drei Spielhallen. Nach den Vorgaben des Glücksspielvertrags liegen sie zu dicht beieinander. Härtefallregelungen könnten sie aber schützen.

Glücksspielmeile Bahnhofstraße in Opladen - auf engem Raum gibt es dort gleich drei Spielhallen. Nach den Vorgaben des Glücksspielvertrags liegen sie zu dicht beieinander. Härtefallregelungen könnten sie aber schützen.

Foto: Bernd Bussang

So werden sich die elektronischen Glücksräder erstmal weiter drehen - im "Rio", im "Game-World", in der "Spiellounge" an der Bahnhofstraße und in den anderen Spielhallen der Stadt. "Setzen Sie sich vor Spielbeginn ein festes Limit", steht auf dem Flyer mit den "10 goldenen Spielregeln" der Suchtberatung, die in den Spielhallen ausliegen. Ob's wirkt? Aufpasser Daniel Jasper zuckt mit den Schultern: "Manche lassen sich helfen, andere nicht."

(RP)
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