Auf Dem Weg Nach Rio Tobias Scherbarth "Ab jetzt werden die Karten neu gemischt"

Leverkusen · Nach einer eher durchwachsenen Saison in der Halle will Stabhochspringer Tobias Scherbarth nun unter freiem Himmel die Qualifikation für Rio schaffen. Für den 30-Jährigen ist es die vielleicht letzte Chance auf eine Teilnahme bei Olympischen Spielen.

LEVERKUSEN In seiner mittlerweile knapp 20-jährigen Karriere hat Tobias Scherbarth wohl die ganze emotionale Bandbreite im Leben eines Profisportlers erlebt. Er galt als ein großes Stabhochsprung-Talent, erlebte persönliche Höhenflüge wie etwa 2009, als er 5,76 Meter in der Halle überwand, und er erlitt Verletzungen, die ihn immer wieder aus der Bahn warfen. Doch Scherbarth ist ein Kämpfertyp mit Ambitionen: "Mein absolutes Ziel sind die Olympischen Spiele in Rio", sagt er.

Dass die gerade beendete Hallensaison nicht unbedingt optimal für ihn lief, ficht den Athleten des TSV Bayer nicht an: "Im Sommer werden die Karten neu gemischt." Sein gesamtes Training sei derzeit darauf ausgerichtet, den großen Traum von den Spielen am Zuckerhut wahr werden zu lassen. Kurz vor dem Start in die Freiluftsaison steht daher noch ein Trainingslager in Belek (Türkei) an. Anfang Mai gehen dann die ersten Wettkämpfe los. "Ich freue mich darauf, die Früchte zu ernten, die wir in den letzten Wochen gesät haben."

Gemeint ist damit die Arbeit mit seinem Trainer Leszek Klima, der für den gebürtigen Leipziger neben den professionellen Trainingsbedingungen in Leverkusen ein Grund war, nach seinem Abitur 2004 zum TSV zu wechseln. "Das war für mich ein deutlicher Sprung nach oben und sportlich gesehen eine ganz andere Welt", erinnert sich Scherbarth. Er sei bis heute dankbar, dass sein Potenzial in Leverkusen erkannt wurde - was neben seiner Begabung vor allem auf seinen schnellen Anlauf zurückzuführen sei. "Außerdem habe ich einen sehr starken Willen."

Letzteres hat der Athlet mehrfach bewiesen. Ein besonders schwerer Schlag war die Verletzung 2009, als er sich kurz vor den Weltmeisterschaften in Berlin den Mittelfuß brach und seine bereits sichere Teilnahme absagen musste. Danach gelang ein guter Wiedereinstieg mit der übersprungenen Marke von 5,71 Metern - ehe er sich erneut den Fuß Brach, einen Bänderriss zuzog und die EM 2010 in Barcelona ebenfalls verpasste. 2011 folgte ein weiterer Ermüdungsbruch im linken Fuß. Was bei anderen vielleicht das vorzeitige Karriereende bedeutet hätte, war für den Diplom-Sportwissenschaftler ein Ansporn. Sport, sagt er, sei für ihn unter anderem "der Kick, es immer wieder zu schaffen". Trotzdem habe er in seinen schwierigen Jahren auch Demut lernen müssen.

Inzwischen hat er sich dank seiner Mentalität längst wieder herangetastet an die Weltspitze. 2013 übersprang er wieder die Marke von 5,70 Metern, die auch der Norm für Olympia in Rio entspricht. Bei den Weltmeisterschaften in Peking im vergangenen Jahr erreichte er Platz sieben im Finale. Seine Bestleistung unter freiem Himmel schaffte er im Mai 2015 (5,73 Meter). Die durchwachsenen Ergebnisse in der gerade abgelaufenen Hallensaison nennt er mit Blick auf Rio "irrelevant".

Ein Meilenstein auf dem Weg nach Brasilien sind die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften am 18. und 19. Juni in Kassel. Der Deutsche Leichtathletikverband (DLV) nominiert die drei besten Athleten für Brasilien. Ein entscheidender Gradmesser für die Rangfolge ist das Ergebnis bei dem nationalen Wettbewerb. Davor will er noch einige Meetings und Einladungswettkämpfe bestreiten - und hart trainieren. "Die Balance ist wichtig", weiß der Stabhochspringer. Bei zu viel Training drohe eine Verletzung, bei zu wenig schlechte Form. "Das ist ein Drahtseilakt."

Ein Fernziel hat Scherbarth ebenfalls bereits vor Augen: Die Heim-EM 2018 in Berlin, wo sich der Kreis seines Sportlerlebens schließen könnte. "Das wäre ein schöner Abschluss meiner Karriere. Danach ist vieles denkbar - vom Einstieg ins Berufsleben bis hin zu einer Verlängerung der sportlichen Laufbahn, wenn die Form stimmt."

(RP)
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