Saisonstart In Den Fussball-Ligen Botschaft an die Bundesliga: "Amateur-Fußball ist durchaus sexy"

Leverkusen · Vor dem Ligastart diskutierten Vertreter des VfL Witzhelden, des FC Leverkusen sowie von Bergfried über den allwöchentlichen Kampf um Zuschauer, Benimmregeln auf dem Platz und den Wertewandel, der auch den Amateur-Fußball erreicht hat.

 Interessante Gesprächsrunde (v.l.): Benjamin Sand (Teammanager FC Leverkusen), Christoph Zaß, André Breuer (beide Spieler des VfL Witzhelden) sowie Luca Kühn und Trainer André Fanroth (beide Bergfried Leverkusen) sprechen mit den RP-Mitarbeitern Patrick Scherer und Markus Neukirch.

Interessante Gesprächsrunde (v.l.): Benjamin Sand (Teammanager FC Leverkusen), Christoph Zaß, André Breuer (beide Spieler des VfL Witzhelden) sowie Luca Kühn und Trainer André Fanroth (beide Bergfried Leverkusen) sprechen mit den RP-Mitarbeitern Patrick Scherer und Markus Neukirch.

Foto: ralph matzerath

Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund sagte kürzlich, der Amateurfußball sei nicht mehr "sexy genug". Wie sehen sie das?

ZAß Das darf man so nicht pauschalisieren. Es gibt sicher Vereine, die spielen vor sechs bis sieben Zuschauern. Wir in Witzhelden aber sind da ganz anders aufgestellt, und bei uns ist immer was los.

SAND Ich finde den Amateurfußball durchaus "sexy". Wenn wir zum Beispiel in Deutz spielen oder in Nümbrecht, gibt's da viel Drumherum, und das macht auch richtig Spaß. Jedenfalls solange man nicht angefeindet wird von den Zuschauern. Zum Birkenberg kommen leider nur wenige, obwohl dort gut ein halbes Dutzend Vereine spielen.

FANROTH Man muss sich auch das Gegenprodukt anschauen - Bundesliga und Champions-League mit unzähligen Wiederholungen, Analysen und so weiter. Ich glaube, dass von einem Sonntagsspiel Augsburg gegen Paderborn weniger hängen bleibt, als wenn man sich am Sonntagnachmittag gemütlich bei uns ein Spiel anschaut. Wir müssen uns eher die Frage stellen: "Wie bekommen wir uns gut verkauft?"

Wie geht das?

FANROTH Wir zum Beispiel setzen auf Social Media. Wir nutzen aktiv Facebook und haben sogar eine App fürs Smartphone, über die wir Spielankündigungen und andere Informationen über Videos transportieren können. Über 450 Downloads sprechen für sich. Und wir sind uns sicher, dass man den einen oder anderen Zuschauer damit zu uns locken kann.

SAND Das ist auf jeden Fall ein guter Ansatz, Menschen darauf hinzuweisen, dass es durchaus spannend sein kann, am Sonntag mal zum Platz zu kommen und für kleines Geld zuzuschauen. Das muss nicht immer das Derby gegen Schlebusch sein.

Am Montagabend wurde das DFB-Pokalspiel Osnabrück gegen RB Leipzig abgebrochen, weil der Schiedsrichter ein Feuerzeug an den Kopf bekam. Wie stehen Sie zu diesem Abbruch?

ZAß Auf der einen Seite hätte ich mir gewünscht, dass das Spiel zu Ende gebracht wird, weil ich nicht glaube, dass der Unparteiische schwer verletzt war. Auf der anderen Seite muss man natürlich Grenzen ziehen.

BREUER Es ist schade, dass von einem einzigen so ein Spiel kaputt gemacht wird. Die Signalwirkung, wenn die Partie weiter gelaufen wäre, wäre aber fatal gewesen. Ich finde den Abbruch richtig.

FANROTH Man muss sich hinterfragen und aufarbeiten, warum so etwas passiert. Meines Erachtens nach liegt das vor allem an der "Kinderstube". Einige Spieler und Fans ziehen Grenzen an der Stelle, wo sie schon überschritten wurden. Und wenn man es überspitzt formuliert, würde ein Nicht-Abbruch den Schiedsrichter auch am Wochenende zu "Freiwild" machen. Darum kann ich verstehen, dass die Partie vorzeitig beendet wurde.

Merken Sie das auch auf dem Platz? Muss man als Trainer oder Verantwortlicher in punkto "Benimmregeln" eingreifen?

KÜHN Auf dem Platz ist das manchmal auch so. Der eine geht rustikaler zur Sache und drückt Dir Sprüche, aber im Großen und Ganzen geht es noch in Ordnung. Attacken aber gehen gar nicht.

ZAß Ich werde bald 30 und gehöre zu den Älteren. Früher kamst Du in eine Mannschaft und hattest Respekt vor den "Alteingesessenen" - heute ist das leider nicht mehr so. Und manchmal fehlt Einzelnen auch der Respekt vor dem Gegenspieler.

SAND Dem kann ich nur zustimmen. Heute sind sich gerade ganz junge Spieler oft zu schade, denn Ball- oder Materialdienst fürs Training zu übernehmen. Diese Entwicklung gibt es aber nicht nur im Fußball, das ist ein Gesellschaftsproblem.

FANROTH Wir setzen uns vor der Saison zusammen und stecken einige "Regeln" ab. Für mich gehört es zum Beispiel dazu, dass man "Guten Tag" sagt, wenn man das Vereinsheim betrifft. Das sollte selbstverständlich sein, ist es aber leider nicht.

Liegt das vielleicht auch im Geld begründet? Ist der "bezahlte" Amateurfußball da vielleicht Ursache?

SAND Das glaube ich nicht. Die meisten bekommen ja nur ein paar Euro. Ich denke, dass Werte und Normen verloren gegangen sind in einigen Familien, und wir sind dann gefordert, diese wieder ins Spiel zu bringen - und auch die Sportler in ihren Ansprüchen zu bremsen. Wenn heute einer kommt und gleich 700 oder 800 Euro pro Monat haben will, dann kann es das nicht sein.

ZAß Werte sind genau die richtige Bezeichnung dafür. Bevor man als Spieler die Hand aufhalten kann, muss man erst etwas dafür geleistet haben. Heute sehen es einige Spieler leider umgekehrt. Mir ist wichtiger, dass Dinge wie die Torwartausstattung vom Verein übernommen werden, weil die ins Geld gehen kann.

Spielt heutzutage der Platz eine Rolle, wenn man sich für einen Verein entscheidet? Gerade der Birkenberg ist ja in einem schlechten Zustand.

SAND Auf jeden Fall. Es ist schade, dass da nichts passiert, weil die Stadt kein Geld hat. Dabei würden so viele Vereine davon profitieren.

ZAß Ich habe es in Bergisch Neukirchen erlebt, wie die Asche einen Verein runterziehen kann. Zum Glück wird bald ein Kunstrasen gebaut, ansonsten haben diese Vereine langfristig keine Chance. Ich bin froh, dass wir beim VfL so eine tolle Anlage haben.

FANROTH Als ich diesen Sommer Spieler suchte, bekam ich Absagen, weil unser Kunstrasen am Höfer Weg zu schlecht sei. Diese Entwicklung finde ich nicht gut. Wenn kein Geld da ist, muss man sich damit arrangieren.

Wie kann man dann Spieler locken, wenn man sie nicht bezahlt? Was ist ausschlaggebend für einen Wechsel?

BREUER Ich wusste, dass die Stimmung in Witzhelden phänomenal ist. Einige Jungs kenne ich schon lange, und das war ein ausschlaggebender Grund für meinen Wechsel. Ich will Spaß haben und natürlich den sportlichen Erfolg. Das muss eine gesunde Mischung sein. Das Training muss Spaß machen. Die Truppe an sich kann schon den Ausschlag geben, dass man sogar eine oder zwei Klassen tiefer spielt, als man eigentlich könnte.

SAND Es gibt immer Cliquen - Spieler, die im Verbund zum Beispiel den Verein wechseln - so wie wir jetzt bei unseren Abgängen gesehen haben. Wir legen Wert darauf, dass Spieler leicht integriert werden können. Wenn ich mir das Feedback derer anhöre, die neu sind, sind wir auf einem guten Weg. Wir haben beim FC Leverkusen eine gute Stimmung im Team und es geschafft, eine Mannschaft zu bauen.

FANROTH Natürlich muss man überlegen, ob der eine oder der andere in die Mannschaft passt, ob alle den Weg mitgehen wollen. Ich kann André nur zustimmen, dass das Gesamtpaket stimmen muss.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne in dieser Saison lesen?

SAND FC Leverkusen schafft Aufstieg in die Landesliga. Wenn wir unser Ziel erreichen, bin ich zufrieden.

ZAß Witzhelden steigt auf - Lutz Lametta feiert Comeback. Der Aufstieg damals und die Mannschaftstour waren einfach grandios. Das möchte ich nochmal erleben. Toll wäre es aber auch, wenn wir uns wieder für die Deutschen Kreisliga-Meisterschaften qualifizieren könnten.

BREUER Witzheldener Abwehr sichert den Aufstieg. Gerade in der letzten Saison war das vorne top, hinten aber nicht so sehr. Ich als Abwehrspieler möchte dazu beitragen, dass wir stabiler werden und vielleicht sogar die Phrase bestätigen: Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr aber die Meisterschaft.

FANROTH Bergfried sichert sich vorzeitig den Klassenerhalt. Wir sind mitten im Umbruch und wollen so schnell wie möglich den A-Liga-Klassenerhalt sichern. Danach sehen wir weiter.

KÜHN Bergfried überrascht die Liga. Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen und sogar oben mitspielen. Das wäre ein Traum.

MARKUS NEUKIRCH UND PATRICK SCHERER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(mane)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort