Interview Hansi Gnad "Nowitzki muss in jedem Spiel einen raushauen"

Leverkusen · Heute beginnt für die deutschen Basketballer die EM in Berlin. Hansi Gnad, inzwischen Co-Trainer der Bayer Giants, gehörte 1993 zum Team, das den letzten EM-Titel gewann. Der 52-Jährige erinnert sich an den Erfolg und spricht über die deutschen Chancen.

 Europameister 1993: Hansi Gnad hält den Pokal in die Luft. Deutschland gewann das Finale gegen Russland mit 71:70.

Europameister 1993: Hansi Gnad hält den Pokal in die Luft. Deutschland gewann das Finale gegen Russland mit 71:70.

Foto: dpa

Trauen Sie Deutschland in diesem Jahr eine ähnliche Überraschung zu, wie Sie Ihnen 1993 gelungen ist?

Gnad Die Vorzeichen sind ganz andere als damals. Wenn es die Mannschaft schafft, gegen die Topteams einen rauszuhauen, kann es eine Überraschung geben. Aber mit Serbien, Spanien, Island, Italien und den Türken befindet sich Deutschland schon in einer Todesgruppe. Es gilt die Vorrunde zu überstehen, über alles weitere sollte man sich noch nicht den Kopf zerbrechen. Möglich ist immer alles.

Mit welchem Ziel sind Sie damals ins Turnier gegangen, und wann haben Sie gemerkt, dass der Titel möglich ist?

Gnad Es gab bei uns zwei Ziele: Der Trainer wollte Dritter werden, wir Spieler waren schon froh darüber, in die Endrunde zu kommen. An mehr haben wir nie gedacht. Erst im Halbfinale gegen die Griechen wurde uns bewusst, dass da mehr möglich ist.

Was muss dieses Jahr zusammenkommen, damit der Coup gelingt?

Gnad Dirk (Nowitzki, Anmerk. d. Red.) muss in jedem Spiel einen raushausen. Gerade in der Offensive muss er die Mannschaft tragen. Wenn das gelingt, wird es auch andere Spieler geben, die Verantwortung übernehmen können. Dennis (Schröder, Anmerk. d. Red.) ist einer der besten Point Guards der Welt.

Der 21-Jährige spielt in der NBA für die Atlanta Hawks, mit denen er im vergangenen Jahr zweitbestes Team der Vorrunde wurde. Schröder erzielte durchschnittlich zehn Punkte und 4,1 Vorlagen.

Wem trauen Sie bei der EM den Durchbruch zu? Einem Paul Zipser (FC Bayern) trauen viele perspektivisch den Sprung in die NBA zu.

Gnad Zipser und Voigtmann werden Verantwortung übernehmen müssen. Aber die NBA ist noch ganz weit weg. Die Jungs müssen erstmal sehen, dass sie in ihrem Verein eine wichtige Rolle spielen. Der Sprung nach Amerika ist sehr groß. Und Zipser muss sich erst noch auf der großen Bühne beweisen.

Paul Zipser ist eines der größten Talente im deutschen Basketball. Der 21-Jährige bringt für die Flügelposition das Gardemaß von zwei Metern mit. Johannes Voigtmann war in der abgelaufenen Saison bei den Fraport Skyliners einer der besten deutschen Scorer in der Bundesliga (12,2 Punkte im Schnitt) und ist bei der EM zweiter Center hinter Tibor Pleiss, der zu den Utah Jazz in die NBA wechselt. Mike Zirbes, dem diese Rolle eigentlich hätte zukommen sollen, verletzte sich in der Vorbereitung schwer.

Nowitzki und Schröder haben sich in der Vorbereitung im Zusammenspiel manchmal schwergetan. Woran liegt das?

Gnad Das ist doch normal. In der NBA spielen sie einen ganz anderen Basketball. Und die Verantwortung lastet auch auf den Beiden. Bei Nowitzki ist die Frage: Wie lange hält der Körper das durch? Aber deutsche Mannschaften können sich immer in ein Turnier hineinspielen, ob im Handball, Hockey, Fußball oder Basketball. Bei uns damals war das zutreffender als je zuvor.

Deutschland hat eine Hammer-Gruppe erwischt. Sehen wir den Europameister schon in der Gruppe B?

Gnad Ja. Die Spanier, Franzosen und auch Serbien sind Favoriten. Insbesondere die Franzosen mit ihren vielen NBA-Spielern. Dazu kommt der Heimvorteil, den man nicht unterschätzen darf.

Mit Tony Parker haben die Franzosen einen der besten Aufbauspieler der Welt in ihren Reihen. Mit den San Antonio Spurs gewann er drei Titel in der NBA. Die Franzosen sind amtierender Europameister.

Leverkusen war damals noch das Maß aller Dinge, heute sieht das anders aus. Und in der Nachbarstadt Köln gibt es mit den Rheinstars eines der ambitioniertesten Projekte des Landes. Ist das eine Bedrohung für den Standort Leverkusen, weil die Kölner auch Talente wegschnappen?

Gnad Das ist doch normal im Geschäft. Ich bin froh, dass Köln aufgestiegen ist. Talente sind eben schnell weg, das ist bei den Kölnern nicht anders. Wir machen die Arbeit für die großen Vereine und freuen uns, wenn einer von unseren Jungs dann Bundesliga spielt. Die Kölner sind für die Region wichtig. Vielleicht lockt das ja ein paar Sponsoren an.

JIM DECKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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