Leichtathletik Willi Holdorf fühlt sich mit 75 immer noch fit

Leverkusen · Der erste deutsche Zehnkampf-Olympiasieger und frühere Leverkusener Leichtathletik-Trainer feiert heute 75. Geburtstag.

 Willi Holdorf zu Besuch bei einem Leichathletik-Meeting des TSV Bayer.

Willi Holdorf zu Besuch bei einem Leichathletik-Meeting des TSV Bayer.

Foto: uwe miserius

Zehnkämpfer können alles. Springen, Laufen, Werfen - die Vielseitigkeit kennzeichnet sie. Das war natürlich schon 1964 so, als Willi Holdorf in Tokio Deutschlands erster Olympiasieger im Mehrkampf wurde. Die Fotos vom völlig erschöpften Holsteiner aus der Gemeinde Blomesche Wildnis an der Unterelbe, der nach dem 1500-Meter-Lauf ins Ziel stürzt, gehören in die Galerie der großen Momente des deutschen Sports. Heute wird Holdorf 75 Jahre alt.

Doch mit den zehn leichtathletischen Disziplinen ist Holdorfs Vielseitigkeit nur unzureichend beschrieben. Als Trainer bei Bayer Leverkusen führte er Leichtathleten in die Weltspitze. Als Anschieber im Bob holte er Silber bei Europameisterschaften. Und sogar in der Fußball-Bundesliga arbeitete er kurzzeitig als Coach. Den Abstieg von Fortuna Köln konnte er 1974 allerdings nicht verhindern. Für das Davis-Cup-Team im Tennis arbeitete er als Konditionstrainer.

Seine große Liebe aber ist bis heute der Handball. Als Kind stand er im Tor. Holdorf gehört seit Jahren zu den Gesellschaftern des THW Kiel, seine Frau Sabine Holdorf-Schust ist Geschäftsführerin des Meisters, Pokalsiegers und Champions-League-Gewinners. Für ein Spiel wie Kroatien gegen Serbien konnte er sich als Besucher der Olympischen Spiele in London begeistern. Fast mehr als für Leichtathletik, die er mit großem Interesse, aber nicht mehr mit der gleichen Hingabe wie den Handball verfolgt.

Bei den Spielen in London bewies der Allrounder, der vor sieben Jahren einen Schlaganfall überstehen musste, allerdings ein erstaunliches Steh- und Sitzvermögen. Willi ist war da! Morgens grüßte er im Deutschen Haus mit "Moin, Moin". Und abends, wenn sich Sportler, Promis und Funktionäre in dem zum deutschen Treffpunkt umgebauten Museum of London Docklands trafen, diskutierte Holdorf immer noch - oder schon wieder.

Jahrzehntelang war er für Adidas tätig. Und einen kleinen Job nimmt er jetzt immer noch für den Ausstatter aus Herzogenaurach wahr. Holdorf passt auf, dass die deutschen Athleten die "richtigen Klamotten" tragen, wie er sagt. Der Deutsche Olympische Sportbund verlangt, dass die Teammitglieder nur die von den Sponsoren zur Verfügung gestellte Kleidung tragen.

Berlin oder Hamburg? Für Willi Holdorf ist es keine Frage, für wen er in der aktuellen Olympia-Diskussion, der um die deutsche Bewerberstadt für die Spiele 2024, Partei ergreift. "Natürlich für Hamburg", sagte der nahe Kiel lebende erste deutsche Zehnkampf-Olympiasieger. Bei einem nationalen Erfolg für die Hansestadt und dem angestrebten Zuschlag durch das Internationale Olympische Komitee hofft Holdorf auf die Einbeziehung von Kiel in die Planung: "Wir rechnen uns schon aus, dass die Segel-Wettbewerbe vor Kiel ausgetragen werden." Olympia liegt dem ehemaligen Zehnkämpfer immer noch am Herzen.

Bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro traut Holdorf seinen Nachfolgern wie Michael Schrader oder Pascal Behrenbruch einiges zu: "Wir haben vier, fünf deutsche Zehnkämpfer, die absolute Weltklasse sind und vorne mitmischen können." Für denkbar hält er auch, dass der Weltrekord von 9039 Punkten, den der US-Amerikaner Ashton Eaton 2012 aufstellte, in absehbarer Zeit überboten werden könnte. "Die Medizin ist sehr viel weitergekommen - die erlaubte und die unerlaubte. Irgendetwas ist immer noch möglich", sagte Holdorf vieldeutig.

"Der Olympiasieg hat mein Leben verändert, meistens zum Positiven", resümierte Holdorf, der schon mit 24 Jahren seine Karriere beendete. Als Ehemann und Vater eines Sohnes galt es, die Familie zu ernähren. "Wir hatten damals weniger Geld, aber mehr Spaß und weniger Druck als heute." Dennoch bedauerte er es, bei den Sommerspielen in Mexiko nicht doch noch mal angetreten zu sein: "1968 habe ich es bereut."

Selbst ist er nur noch reduziert sportlich aktiv. "Mein Golfen ist schlechter geworden, doch meine Frau schleppt mich immer noch mit auf den Platz", berichtete Holdorf. Mit dem Altwerden hadert er ein wenig. "Es war schwer, als ich 70 wurde. Jetzt, mit 75, habe ich mich daran gewöhnt. Doch ich fühle mich fit."

(RP)
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