Leverkusen Studie: Jeder dritte Mensch wird im Laufe des Lebens psychisch krank

Leverkusen · Der rote Londonbus von Bayer 04, der normalerweise als Hingucker vor den Fußballstadien steht, fuhr zum 30. Geburtstag des Sozialpsychiatrischen Zentrums (SPZ) für Patienten und Mitarbeiter. "Für unser Sommer-und Jubiläumsfest hatte ich noch eine Überraschung im petto", sagt Geschäftsführerin Barbara Melchers, "auf vier kleinen Stadttouren düst der Bus heute durch Leverkusen, exklusiv für uns."

Seit drei Jahrzehnten bietet das SPZ Leverkusen Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen Hilfe an. Im Jahr 2017 zählen dazu sechs Standorte im Stadtgebiet, darunter auch ein Wohnheim-Verbund und ein Zentrum für integrative Beschäftigung. Die Sozialpsychatrische Ambulanz, das Herzstück und erste Anlaufstelle für viele Patienten, verlässt den Standort an der Manforter Straße im Laufe des Jahres. In den Neubau des Gemeinnützigen Bauvereins Opladen an der Kölner Straße zieht die Ambulanz und wohnt dort auf rund 700 Quadratmetern. "Nach 30 Jahren ist es Zeit für einen Tapetenwechsel", sagt Melchers, "die alten Räume sind nicht barrierefrei, die sanitären Anlagen sind unzumutbar - alles ist heruntergekommen. Wir brauchen etwas Modernes."

Die Leverkusener sollen sich wohl und willkommen fühlen, keine Angst und Scheu davor haben, die Räume des SPZ zu betreten. Psychisch krank sein - das sei noch immer ein großes Tabuthema in der Gesellschaft. "Bei Krankheiten wie Krebs und Demenz haben Leute Mitleid mit dem Erkrankten, bei psychischen Problemen werden sie als 'komisch' bezeichnet, darüber redet man nicht", sagt Melchers.

Das Risiko für Frauen, im Laufe ihres Lebens psychisch zu erkranken, liegt bei 40 Prozent, bei Männern ungefähr bei 30 Prozent. Das geht aus Studien des Bundesamtes für Statistik und aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes hervor. Statistisch gesehen erkrankt somit weniger als jeder Zweite, aber mindestens jeder Dritte.

So erging es auch der 55-jährigen Andrea Richter*. Seit 17 Jahren nutzt sie die Tagesbetreuung im SPZ, ihre Sozialarbeiterin machte sie damals auf das Angebot aufmerksam. "Am liebsten gehe ich in die Textilfabrik", sagt die Wiesdorferin, "wir arbeiten mit Bügelfarben und filzen." Sie ist glücklich, dass durch die Betreuung feste Tagespunkte in ihrem Alltag stehen. "Wir wollen mit unseren Angeboten ein Leben außerhalb der Klinik ermöglichen", sagt Leiterin Melchers. Ein dauerhaftes Leben in einer Klinik mit riesigen Säalen, in denen Menschen den ganzen Tag im Bett vor sich hinvegetieren, gäbe es nicht mehr. *Name geändert

(RP)
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