Leverkusen Suzanne von Borsody: "Kein Mensch muss müssen"

Leverkusen · Ohne Pipi Langstrumpf ist ein Abend über Astrid Lindgren undenkbar. Schließlich ist die unbeschwerte und ungewöhnliche Kinderbuchfigur unmittelbar mit der eigenen Biografie verbunden. Den Namen erfand ihre Tochter Karin, als sie krank im Bett lag und verlangte: "Erzähl mir von Pipi Langstrumpf." In der Fantasie der erwachsenen Frau, die aber im Herzen ihre wundervolle Kindheit bewahrt hatte und bis zum Ende ihres langen Lebens die Welt auch mit den Augen eines Kindes zu sehen vermochte, wurde sie so lebendig wie für so viele Kinder seitdem.

Auch für die Erwachsenen, die sich im Erholungshaus an vergnügliche Lesestunden erinnerten und bei manchen Textpassagen vielleicht selbst für einige Sekunden das Kind in sich entdeckten. Suzanne von Borsody zeichnete bei Bayer Kultur ein Astrid-Lindgren-Porträt, bei dem Leben und Werk unmittelbar ineinander verwoben waren. "Kein Mensch muss müssen" (Regie Martin Mühleis) ist eine Textcollage aus Briefen, Interviews, Tagebucheintragungen und der legendären Rede über gewaltfreie Erziehung, die Astrid Lindgren 1978 bei der Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hielt.

Verwoben mit Passagen aus einigen ihrer Kinderbücher, durch entsprechende Illustration kenntlich gemacht. Astrid Lindgren hat nach einer unbeschwerten Kindheit sehr wohl die Probleme eines Erwachsenenlebens kennengelernt, ohne daran zu zerbrechen, sich zu verbiegen oder anderen die Schuld für ihre Situation zu geben. Über die Schmach als ledige Mutter in den Zwanzigern, die schmerzliche Trennung von ihrem Sohn, Geldmangel, die Zeit des Zweiten Weltkrieges, Verlust von Ehemann und den geliebten Eltern äußerte sie sich offen, reflektiert und immer mit dem Blick auf das Gute im Menschen. Völlig überflüssig, dass Suzanne von Borsody auf der heiklen Grenze zwischen emotional und rührselig mehrfach ins Rutschen geriet. Insbesondere in der ausführlichen Passage mit Tagebucheinträgen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die dazu beitrug, dass der Abend mit fast drei Stunden einfach zu lang geriet.

Obwohl die Biografie viel hergibt und das Konzept von Rezitation und ansprechender Musik trägt. Die sorgfältig formulierten Texte Lindgrens, die sich und ihrer klaren, analytischen, aber vor allem warmherzigen Weltsicht stets treu blieb, braucht keine tränenerstickte Stimme, kein Schniefen. Von weinerlichem Ton ist der Inhalt jedenfalls nicht gezeichnet. Zu dem passt eher die rauchige Stimme von Borsodys, die mit der gebotenen Ruhe rezitierte. Insgesamt ging die Bühnencollage zu Herzen und unter die Haut. Die Vollblutschauspielerin vermittelte jene ehrliche Wärme, die wunderbare Band nahm im Hintergrund die Stimmung auf, um sie in Musik zu übersetzen, die sich aus Melodik der schwedischen Folklore speist.

Die Licht- und Bühnenregie, spielte mit Farben und setzte Akzente, richtete mit einem Spot die Aufmerksamkeit auf die Vorleserin und beleuchtete die Musiker hinter dem Vorhang. Vor allem aber faszinierte immer wieder diese Frau im Mittelpunkt, die nicht nur wundervolle Geschichten für Kinder schuf, sondern auch politisch und gesellschaftlich klar Stellung bezog. Vielleicht weil sie, wie sie sagt, im Herzen immer die Fünfjährige geblieben ist.

(mkl)
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