Leverkusen Wasserkraft versorgt Schleifer mit Energie

Leverkusen · Der Ursprung des denkmalgeschützten Wipperkotten an der Wupper geht auf das Jahr 1605 zurück. Schleifer arbeiten dort immer noch.

Die hölzerne Stiege ist ein wenig steil, doch jüngere wie ältere Besucher gelangen letztlich mühelos nur so in die erste Etage des Wipperkottens. Direkt in der ersten Kammer links hat Herbert Loos seinen Arbeitsplatz.

Jeden Tag ist der bald 80-jährige Schleifermeister allerdings nicht mehr im Wipperkotten anzutreffen. Als "Ehrenkottenmeister auf Lebenszeit" erklärt er Besuchern gemeinsam mit Kustos Reinhard Schrage in dem seit Jahrzehnten denkmalgeschützten Kotten, worauf es beim Schleifen von Messern und Scheren ankommt.

Der Wipperkotten ist der älteste und zugleich noch erhaltene Doppelkotten an der Wupper. Der größere "Innenkotten", gelegen auf einer aus Bruchsteinen errichteten Wupperinsel, ist ein Wohnhaus, im kleineren "Außenkotten" am Ufer wird bis zum heutigen Tage mit Wasserkraft gearbeitet. Direkt an der Stadtgrenze von Solingen zu Leichlingen gelegen, ist er in der Saison von April bis Oktober an jedem ersten und dritten Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Für Schulklassen und andere Gruppen werden vom Förderverein Schleiferei Wipperkotten Führungen angeboten. "Etwa 40 Führungen im Jahr sind es, zudem werden vier Feste gefeiert", berichtet Schrage.

Der Wipperkotten geht zurück auf das Jahr 1605. Damals taucht jedenfalls der Schleiferkotten in den Pachtaufzeichnungen des Gutes Nesselrode erstmals auf. Mitte der 1950er Jahre hatten dann Lotte und Hanskarl Rodenkirchen den verlassenen Innenkotten entdeckt und so vor dem Abriss bewahrt.

Ihre Kottenhälfte bewohnt die Familie mit dem Kunstbetrieb sowie einem Café. Der Außenkotten mit der Schleiferei ging ins Eigentum der Stadt beziehungsweise des Fördervereins über, der sich 1996 mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland gründete.

Messer- und Scherenschleifer wie Loos demonstrieren in der Schleiferei etwa, wie Klingen am nassen Stein bearbeitet werden. Wer ihnen über die Schulter schaut, gewinnt den Eindruck, als stünde hier die Zeit still: Der Geruch des alten Gebälks, die surrenden Schleifsteine, das Plätschern des Wasserrades erinnern an alte Zeiten.

Das Rad hat viele Jahre auf dem Buckel - damit es sich tadellos dreht und auch der Kotten stets gut in Schuss ist, engagieren sich die Mitglieder des Fördervereins. Die heutigen Fachwerkbauten entstanden nach Bränden gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Vor allem den Schleifern ist zu verdanken, dass die Anlage erhalten blieb: Sie pflegten das Wasserrad und die Gräben, beseitigten Hochwasserschäden und ließen Gebäude, Grabensystem und Stauwehr unter Denkmalschutz stellen. Doch "die Witterung nagt am alten Gebäude", sagt Fördervereinsvorsitzender Lutz Peters. Er und Schrage fänden es schön, wenn sich noch mehr Menschen für den Wipperkotten engagierten. Peters, Schrage und auch Ehrenkottenmeister Loos sind sich einig: "Von den 100 Mitgliedern ist es nämlich nur ein kleiner Kreis, der sich kümmert."

Erst im März mussten erneut Hochwasserschäden beseitigt werden. Um Geld in die Kasse zu bekommen, hat der Förderverein in dem Kotten, in dem früher selbstständige Schleifer im Auftrag Solinger Kaufleute Messer und Scheren herstellten, auch im unteren Bereich einen Raum eingerichtet, in dem Schneidwaren verkauft werden. Vom Zöppken bis zum großen Brotmesser mit Wellenschliff reicht das Angebot. Besucher können gegen ein Entgelt Messer und Scheren zum Schleifen bringen - Herbert Loos, dem Kotten seit mehr als 40 Jahren verbunden, kümmert sich.

Im Wipperkotten ansässig sind auch die Messermacher Matthias Leimküller, Ralf Jahn (Wasserkraft-Manufaktur) und Andreas Neumann (Muko-Messer). Sie nutzen die Wasserkraftanlage im Antriebsraum, betreiben ihre Werkstätten in der Schleiferei, kümmern sich um Dach und Fach, Wasserrad und Antriebsanlage. "Die Nachbarschaft ist gut, auch mit den Bewohnern des Innenkottens", sagt Schrage.

Saisonabschluss wird morgen gefeiert, am 16. Oktober. "Schleifen am nassen Stein" steht von 12 bis 17 Uhr auf dem Programm. Glühwein, Bier und Kottenbutter werden zum Kauf angeboten. Geld in der Kasse des Vereins ist immer willkommen: "Das Haus lebt, es arbeitet", sagt Schrage.

(RP)
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