Ernst Grigat im Interview Wassertaxis oder Schienenverkehr? "Zur A1-Brücke gibt es keine Alternative"

Leverkusen · Der scheidende Chempark-Leiter Dr. Ernst Grigat spricht im Interview über den Ausbau der A 1 zwischen Rhein und Küppersteg, den Aufbau des Chemparks zu dem, was er heute ist, und seine berufliche Zukunft.

 Chempark-Leiter Dr. Ernst Grigat

Chempark-Leiter Dr. Ernst Grigat

Foto: Michael Rennertz

Herr Grigat, Sie gehen zu einem extrem spannenden Zeitpunkt für den Chempark: A 1-Brücke, Tunnel oder Stelze in Küppersteg. Beides richtig wichtige Themen.

 Rohrleitungen, wie sie den Chempark durchkreuzen, wird Ernst Grigat ab April vermissen. Und die zwischenmenschlichen Beziehungen, sagt er.

Rohrleitungen, wie sie den Chempark durchkreuzen, wird Ernst Grigat ab April vermissen. Und die zwischenmenschlichen Beziehungen, sagt er.

Foto: Currenta, Rennertz

Grigat Ja. Natürlich hätte ich das Thema A1-Ausbau gerne noch weiterbegleitet. Gerade die Rheinbrücke brauchen wir ganz dringend. Wenn die jetzige noch vor Fertigstellung der neuen Brücke ihren Geist aufgibt, dann haben wir ein Riesenproblem.

Da läuft aber noch die politische Diskussion, die Prüfung der Klage der NGL am Bundesverwaltungsgericht...

Grigat Natürlich hätte man sich mit zehn Jahren Vorlauf andere Varianten überlegen können. Aber jetzt brauchen wir schnellstmöglich die neue Brücke, denn es sind keine guten Alternativlösungen da, um eine nennenswerte Menge Menschen oder Waren über den Fluss zu bringen.

Wassertaxis waren im Chempark mal in der Überlegung.

Grigat Das stimmt. Aber dabei wird es schwierig. Denn es gibt an beiden Ufern nicht genug Parkraum, wo die Mitarbeiter des Chempark etwa auf der Kölner Seite und die der Ford-Werke auf der Leverkusener Seite ihre Autos abstellen könnten, um dann das Wassertaxi zur Arbeit zu nehmen. Wir hatten auch überlegt, dass Schwertransporte über den Rhein laufen könnten. Eine Fähre dazu ist schnell gefunden. Aber es gibt keine Anlagestellen; auch von den Mengen der Schwerlaster, die transportiert werden könnten, wäre das schwierig. Die Hitdorfer Fähre hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 120.000 Autos transportiert. Aber genauso viele Fahrzeuge passieren täglich die Brücke. Für diese Menge bräuchte man überspitzt 365 Fähren.

Und mehr Verkehr über die Schiene?

Grigat Ein Ausbau der S-Bahn-Linie 6 wäre für die Personenbeförderung eine Option. Allerdings gibt es im Hauptbahnhof Köln kaum noch freie Zeiten. Mehr Frachtverkehr auf die Schiene zu bringen, ist wegen der nun schon hohen Auslastungen der Strecken problematisch. Man bräuchte bessere Durchgangsrouten zum Beispiel nach Rotterdam, wie die Betuwe-Route, aber die stößt jetzt schon an ihre Grenzen.

Das heißt zusammengefasst?

Grigat Wenn man keinen guten Plan B hat, sollte man alles daran setzen, Plan A zu verfolgen.

Die Stadt verfolgt derzeit das Ziel, in Küppersteg statt einer verbreiterten A 1-Stelze eine Tunnellösung zu installieren. Was wird am Ende nach Ihrer Einschätzung rauskommen?

Grigat Das ist noch völlig offen. Es hängt davon ab, wie Straßen.NRW mit dem von der Stadt beauftragten Gutachten nun umgeht.

Das Gutachten ist auch mit Ihrer Hilfe in die Wege geleitet worden. Vor etlichen Jahren gab es angeblich einen Briefwechsel zwischen Ihnen und NRW-Verkehrsminister Groschek, in dem es von Chempark-Seite aus hieß, man wolle keinen Tunnel. Wie passt das zusammen?

Grigat In der Frühphase gab es diesen Brief. Wir haben damals gedacht: Ein Tunnel könnte schwierig werden, nicht nur für uns, sondern für die gesamte Wirtschaft, die Lkw, auch Gefahrguttransporter, über die A 1 schickt. Auf so einer wichtigen Trasse muss der Verkehr ungehindert fließen können. Wir wollten uns mit dem Thema bemerkbar machen. Es wirkte nach außen wohl so, dass wir konträrer Auffassung zur Meinung der Stadt gewesen wären. Dann gab es ein sehr wichtiges Gespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister Buchhorn, bei dem eines klar herauskam: Beide Seiten haben keine divergierenden Interessen. Wir wollen, dass der Verkehr läuft, ob durch einen Tunnel oder über eine Stelze ist dabei für uns als Chempark egal. Im Dialogforum, wo verschiedene Beteiligte zum Autobahnumbau beratschlagen, entwickelte sich dann die Idee eines städtischen Gutachtens. Während Straßen.NRW verschiedene Varianten für den Bereich Stelze prüft, geht dieses Gutachten gezielt auf die Frage ein, ob Gefahrguttransport bei einer Tunnellösung möglich wäre.

Sie sind tief in den aktuellen Themen drin. Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?

Grigat Am 31. März. Dann ist Staffelstabübergabe an meinen Nachfolger Lars Friedrich.

Nach außen entstand bei der unerwarteten Nachricht Ihres Weggangs der Eindruck, das ging alles von heute auf morgen. Was war los?

Grigat Das war intern länger geplant. Wir haben es deshalb so kurzfristig mitgeteilt, damit keine Phase der Unsicherheit auftaucht nach dem Motto: Wer hat denn jetzt hier das Sagen, der Neue oder noch der Alte.

Wer hat's zurzeit?

Grigat Lars Friedrich, mein Nachfolger wird am 1. April übernehmen. Es läuft die Übergabephase. Bis nächsten Freitag.

Wie geht es für Sie am 3. April weiter?

Grigat Ich fahre nach Berlin, um familiäre Dinge zu regeln, die in letzter Zeit auf der Strecke geblieben sind.

Und beruflich?

Grigat Ich suche mir etwas Neues. Bisher konnte ich nicht wegen der Geheimhaltung des Wechsels an der Chempark-Spitze. Jetzt schaue ich bundesweit und auch bis rüber in die Niederlande. Durch meine Zeit in Antwerpen für Lanxess spreche ich fließend niederländisch. Auf jeden Fall möchte ich etwas machen, wo ich konzeptionell arbeiten kann, da freue ich mich richtig drauf. Ob das im Management-Bereich oder wieder stärker in der Chemie sein wird, ist noch völlig offen.

Ein mutiger Schritt. In der Politik wurde geunkt, Sie seien über die Öffnung der Deponie Dhünnaue für den A1-Brückenneubau gestolpert.

Grigat Nein. So ist es nicht. Ich habe aber nach zehn Jahren im Chempark festgestellt, dass alle großen Konzepte, die ich mir vorgenommen hatte, erledigt sind, eine Umstrukturierung; die derzeit bei Currenta läuft, ist für mich ein guter Anlass zu sagen, ich mache etwas anderes.

Was meinen Sie mit Konzepten?

Grigat Ich war bei mehreren Restrukturierungen beteiligt. Wegen dieser Erfahrungen bin ich Anfang 2007 geholt worden, um diesen Weg vom ehemaligen Bayerwerk zum Chempark mitzugestalten. Bis dahin stand überall noch Bayer drauf. Das war ein besonderes Projekt, wie ich es bis dahin noch nicht erlebt habe.

Warum?

Grigat Allein die Geheimhaltung bei der Entwicklung der Namen, Chempark für den Standort und Currenta für den Manager und Betreiber des Standortes. Wir haben uns anfänglich über Monate im stillen Kämmerlein getroffen, Fenster zu, Oberlichter zu, Türen zu. Alles was besprochen wurde, wurde im Anschluss geschreddert, damit nichts nach außen dringt.

Über die Namen Chempark und Currenta (ehemals Bayer Industry Services) haben manche erstmal den Kopf geschüttelt.

Grigat Ja. Anfänglich. Aber die Erfahrung lehrt, nach kurzer Zeit enden die Wortspiele und nur noch die neue Identität zählt. Das wir da alles so professionell hingekommen haben, hat auch die Mitarbeiter beeindruckt und ein Stück weit mitgenommen auf unserem Weg. Und auch außerhalb - so nehme ich das wahr - steht Chempark für eine gute Adresse. Es war hochspannend, über die Jahre daran mitzuarbeiten. Heute sieht man, es funktioniert.

Konkretes Beispiel?

Grigat Nehmen wir die An- und Absiedlungen der letzten Jahre. Ein wenig bekanntes, aber großes Projekt war der Weggang von Dystar. In deren Räumen laufen inzwischen wieder Produktionen wie von Silikonhersteller Momentive.

2008 haben Sie gesagt, Sie wollen den Chempark zum attraktivsten in Europa machen. Ist er's?

Grigat Wir haben damals gesagt, wir brauchen für ein langfristiges, stabiles Funktionieren des Chemparks rund 500 Mio. Euro Investitionen pro Jahr an allen drei Standorten. 2007 waren wir lange nicht da, heute haben wir den Wert signifikant überschritten. Die Firmen im Chempark investieren. Die Konzepte funktionieren, die Mitarbeiterzahlen sind stabil. Gerade am Standort Leverkusen ist die Lohnsumme gigantisch, die fließt wiederum in das Angebot hier in der Stadt. Für mich ist dieser Invest ein in Stahl gegossener Zukunftsglaube. Ein besseres Vertrauen in den Standort gibt es nicht. Wir haben auch im Vergleich zu anderen Chemieparks unser Ziel erreicht. Wir sind am Invest gemessen der attraktivste in Europa. So kann ich beruhigt gehen.

Was werden Sie vermissen?

Grigat Die gewachsenen Beziehungen. Das ist für mich hier nicht nur eben ,Tschüss, ich bin weg'. Und die Rohrbrücken. Ich find' die klasse. Kollegen haben mir zum 50. Geburtstag ein Modell einer Rohrbrücke geschenkt. Die echten nur noch von draußen sehen zu können - da muss ich mich dran gewöhnen.

(RP)
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