Leverkusen Weihnachtsmär mit Nemec und Wachtveitl

Leverkusen · Charles Dickens hätte wohl seine Freude gehabt an dieser Lesung seines Klassikers "Eine Weihnachtsgeschichte", die die Tatort-Kommissare Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl brillant auf die Bühne im Erholungshaus zauberten.

 Miroslaw Nemec als Ebenezer Scrooge (l.) und Udo Wachtveitl als der Geist der Weihnacht überzeugten im Erholungshaus mit ihrer Schauspielkunst und machten vergessen, dass es eigentlich eine Lesung war.

Miroslaw Nemec als Ebenezer Scrooge (l.) und Udo Wachtveitl als der Geist der Weihnacht überzeugten im Erholungshaus mit ihrer Schauspielkunst und machten vergessen, dass es eigentlich eine Lesung war.

Foto: Stefan Nimmesgern/BAyer Kultur

Ein zartes Glöckchen weckt Erinnerungen an kindliche Weihnachtsfreude. Dazu erklingt die Melodie von "We wish you a merry Christmas", die im Laufe der nächsten zwei Stunden noch manches Mal erklingen wird, fröhlich, verspielt oder auch harmonisch getrübt und verzagt - je nach Stimmungslage der Geschichte. Das Streichquintett sind fünf schwarz gekleidete Engelchen mit riesigen Feder-Flügeln, die auf rosa angeleuchteten Wölkchen, Pardon Podesten, Platz nehmen.

Aber so viel heile Welt wie die ersten Minuten auf der Bühne im voll besetzten Erholungshaus-Saal suggerieren, ist in Wirklichkeit nicht. Denn es tritt der bekannteste Geizkragen Londons aus der Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Und der grantelt, weil sein mickrig bezahlter Schreiber doch tatsächlich den ganzen Weihnachtstag frei haben möchte: Ebenezer Scrooge aus der sozialkritischen "Weihnachtsgeschichte" von Charles Dickens wird gelesen, nein tatsächlich verkörpert, vom Münchner Tatort-Kommissar Miroslav Nemec. Sein TV-Kollege Udo Wachtveitl schlüpft mit veränderter Stimme, Haltung und Gestik in die übrigen Rollen der Story, die Martin Mühleis mit den beiden Schauspielern als Bühnenmärchen inszeniert hat.

So lebendig und so anrührend, dass die verzückten Zuschauer bei Bayer Kultur vergaßen, dass es sich eigentlich "nur" um eine Lesung handelte. Aber die beiden Sprecher sorgten schon dafür, dass bildhafte Szenen in den Köpfen entstanden. Nemec vollzog dort tatsächlich die allmähliche Wandlung vom harten und abweisenden Egoisten über den nachdenklichen, erschrockenen und zweifelnden bis zum einsichtigen und menschlichen Scrooge der Schlussszene. Und er malte den Charakter dabei sogar nuancierter als die Schwarz-Weiß-Moral des Dickens-Textes. Wachveitl faszinierte als gespenstischer, warnender Geist des verstorbenen Geschäftspartners Marley, der Scrooge vor den jenseitigen Folgen seiner Gier und Hartherzigkeit warnt - unheimlich mit Echostimme, aber auch mit kurzen komischen Momenten, wenn er mitunter knackend den ausgerenkten Kiefer zurechtrücken musste. Als Geist der Weihnacht führte er Scrooge in die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft und letztlich zur Selbsterkenntnis.

Eine zauberhafte Vorstellung, bei der einfach alles stimmte. Außer den beiden Schauspielern, die hier weit mehr Facetten ihrer Darstellerkunst zeigen konnten als in den Fernsehproduktionen, war es vor allem die lautmalerische Musik des Komponisten Libor Síma, die Stimmungen schuf und Textaussagen untermalte.

Und nicht zuletzt die eindrucksvollen Lichteffekte, mit denen Atmosphäre gezaubert wurde. Etwa, wenn die Engelflügel vor orangefarbenen Scheinwerfer zu brennen schienen und darüber Qualm aufstieg. Oder wenn die Farben der leuchtenden Podeste je nach Aussage wechselten und mit schlichter projizierter Zeichnung gar die Andeutung eines Bühnenbildes geschaffen wurde.

Nur schade, dass die Pause diese Stimmung so jäh unterbrach.

(mkl)
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