Leverkusen Westdeutsche Sinfonia zeigt unbändige Spielfreude

Leverkusen · "Achtung Aufnahme" - Hinweise an Türen und im Programm für das Publikum, im zweiten Konzertteil besonders still zu sein, wenigstens an den leisen Stellen. Das funktionierte anfangs fast vorbildlich, aber im vierten Satz von Ludwig van Beethovens erster Sinfonie konnten sich mehrere Zuhörer nicht mehr zurückhalten. Zumindest diesen Teil musste die Westdeutsche Sinfonia Leverkusen wahrscheinlich ohne Publikum wiederholen, um die gewünschte Qualität für die neue CD zu erlangen. Im Finalsatz hatte das Publikum vielleicht auch nicht mehr damit gerechnet, vor dem temporeichen Schluss zunächst edel zurückgenommene Musik zu hören.

 Dirk Joeres und seine Westdeutsche Sinfonia zelebrierten Passagen beinahe bis zur Unhörbarkeit.

Dirk Joeres und seine Westdeutsche Sinfonia zelebrierten Passagen beinahe bis zur Unhörbarkeit.

Foto: Miserius

Beinahe bis zur Unhörbarkeit ließ Dirk Joeres Passagen in der Einleitung zurücknehmen und schuf damit knisternde Anspannung. Und so vergrößerte er die dynamische Spannbreite, die das Orchester beim ersten KlassikSonntag der Saison in allen Nuancen ausnutzte.

Nicht erst bei Beethovens Sinfonie Nr. 1 C-Dur, die hier live aufgezeichnet wurde. Von der unbändigen Spielfreude des Ensembles zeugte das vorangegangene Menuett, das Joeres ausgesprochen sportlich nahm und als Zugabe noch einmal herunterschnurren ließ. Selbst in diesem Tempo arbeiteten die Musiker Strukturen und Zusammenhänge heraus, gaben sich die Instrumentengruppen gegenseitig Raum, um kompositorische Details hörbar zu machen.

Diese umsichtige Spielweise, mit der Streicher und die wieder mal exzellente Bläserbesetzung aus der Partitur herausarbeiten, was in manchen Orchestern oftmals mit zu viel Sound zudecken, zeichnete die Westdeutsche Sinfonia Leverkusen von Anfang an aus. Und an diesem Anspruch hat Dirk Joeres auch beim jüngsten Sonntagskonzert, dem am Vormittag wieder eine umfangreiche Einführung im Schloss voranging, festgehalten. Als kleine Kostbarkeit präsentierte man anfangs die Sinfonie Nr. 88 G-Dur von Joseph Haydn. So, als könne sie sich anfangs nicht recht entscheiden, ob sie in der scharf punktierten Rhythmik der französischen Ouvertüre dem barocken Stil folgen oder zur klassischen Sinfonie entwickeln wollte.

Die ließ der Dirigent schließlich mit einem kleinen Wink frei, voll pulsierender Lebensfreude. Die brach sich auch im zentralen Stück des Konzerts Bahn, nicht nur im Orchester, sondern vor allem auf den Klaviertasten. Igor Kamenz spielte den Solopart im Klavierkonzert Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch ebenso kraftvoll wie ausdrucksstark. Überschäumende Energie wurde vom Flügel aus in das Orchester getragen und im rhythmischen Schlussteil noch einmal gesteigert. Aber der Power-Pianist hat auch eine weiche Seite, die er im zart angeschlagenen Mittelsatz ausspielte, getragen von tiefer Melancholie - wie perfekte Filmmusik.

Das Publikum ließ Igor Kamenz nach diesem Auftritt nicht so schnell von der Bühne und der bedankte sich für den Applaus mit Musik ganz anderer Art: einem Bach Präludium, in motorischer Perfektion und doch voller Empfindung.

(mkl)
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