Im Gespräch mit Klaus Schäfer "Wir fühlen uns am Standort Leverkusen wohl"

Leverkusen · Beim Gespräch in seinem Büro hat Klaus Schäfer, Covestro-Produktionsvorstand, eine Scheckkarte in der Hand. Die könnte Weltkarriere machen. Darüber redet er ebenso, wie über die Bedeutung Leverkusens für Covestro, die A 1-Brücke und Matratzen aus Kohlendioxid.

 Covestro-Produktionsvorstand Klaus Schäfer in seinem Büro.

Covestro-Produktionsvorstand Klaus Schäfer in seinem Büro.

Foto: UM

Beim Gespräch in seinem Büro hat Klaus Schäfer, Covestro-Produktionsvorstand, eine Scheckkarte in der Hand. Die könnte Weltkarriere machen. Darüber redet er ebenso wie über die Bedeutung Leverkusens für Covestro, die A 1-Brücke und Matratzen aus Kohlendioxid.

Was hat's mit dem Kärtchen auf sich?

Schäfer Das ist aus kohlefaserverstärktem Polycarbonat, könnte in naher Zukunft als Material für Tablets und Smartphones dienen und Materialien wie Aluminium ersetzen, weil es eine sehr dünne Struktur und trotzdem extreme Stabilität hat. Die Erfindung kommt von einem Start-up-Unternehmen in Süddeutschland.

Das mit Covestro was zu tun hat?

Schäfer Wir haben es von einem 70-Jährigen übernommen. Ein Vier-Mann-Betrieb war das. Mittlerweile arbeiten dort 60 Menschen, der verwendete Kunststoff Polycarbonat kommt aus unseren Standorten in Krefeld und Antwerpen. Erste Anwendungen hat das Material schon, zum Beispiel als Pedalkurbel im Radsport. Die Kommerzialisierung steht aber erst am Anfang.

Bei Covestro gilt auch: Schlaf demnächst auf CO2, dem Treibhausgas Kohlendioxid.

Schäfer Wir können mit einer bestimmten Technologie aus CO2 einen Rohstoff für die Weichschaumherstellung machen, etwa zur Produktion von Matratzen. In Dormagen steht eine Anlage, die pro Jahr 5000 Tonnen herstellen kann. Um größere Mengen produzieren zu können, wir nennen das Upscaling der Anlagen, braucht es noch mehr Entwicklung. Die erste Lieferung unseres CO2-basierten Rohstoffes ist vor einem Jahr an einen Matratzenhersteller gegangen. Wir rechnen für Herbst mit den ersten Matratzen auf dem Markt.

Derweil stecken Sie in Leverkusen 80 Millionen Euro in den Bau eines Bürokomplexes an der B 8. Sind weitere Investitionen vorgesehen?

Schäfer Wir wollen in den nächsten drei Jahren das Technikum B 103 ausbauen. Dort testen wir das Upscaling, also die Erweiterungsmöglichkeiten bei verschiedenen Produkten für die kommerzielle Produktion. In der Chemie dauert die Entwicklung bis zur Verkaufsreife so lange, weil man Schritt für Schritt vorgehen muss - von 100 Gramm auf 1000, auf 10.000... Verschiedene Unternehmen haben versucht, Schritte zu überspringen - und sind gescheitert. Außerdem wollen wir in den Chempark-Hafen investieren, konkret in die Salzanlandung für die Chlorproduktion. Das Chlor, was wir herstellen, geben wir zum größten Teil an andere Unternehmen am Standort.

Apropos Standort. Lanxess ist mit der Konzernzentrale nach Köln gezogen, Covestro baut im Schatten Bayers, also des ehemaligen Mutterkonzerns. Warum bleiben Sie?

Schäfer Weil wir uns hier wohlfühlen. Unsere Mitarbeiter wohnen im Umfeld, unsere Forschung, Produktion, Administration sind hier. Ich sehe keinen Mehrwert darin, das zu ändern. Zudem unterhalten wir eine gute Nachbarschaft zu Bayer.

Sie sind seit 2015 aber nicht mehr Teil davon. Hat die Ablösung gutgetan? Die Covestro-Kurve zeigt seit einiger Zeit stetig bergauf.

Schäfer Ja. Wir haben jetzt flachere Hierarchien, können so schneller Entscheidungen treffen. Weniger Köche führen zu besseren Ergebnissen. Kurz: Wir sind jetzt agiler. Dazu kommt eine positive Nachfrageentwicklung. Folge: Unsere Auslastung ist sehr hoch, die Margen sind gestiegen, wir können wieder früher investieren.

Seit kurzem ist Covestro Dax-Unternehmen. Ganz rund läuft es da nicht.

Schäfer Dax oder MDax. Das suchen wir uns nicht aus, das hängt davon ob, wie ein Unternehmen die Kriterien wie etwa die Marktkapitalisierung erfüllt. Natürlich haben wir uns über die Aufnahme gefreut. Wir Treiben unser Geschäft fröhlich voran, innovieren, produzieren, vertreiben...

Wie groß sind die Probleme für den Vertrieb durch Infrastrukturprobleme? Stichworte A 1-Brücke und Tunnel statt Stelze.

Schäfer Als kürzlich die Brücke nur zweispurig in jede Richtung war, habe ich von Dormagen-Straberg bis hierher eineinviertel Stunden gebaucht, normal fahre ich 35 Minuten. Im Sommer nehme ich da manchmal lieber das Rad. Aber ja. Die Infrastruktur bereitet uns Probleme. Allein schon beim Verkehr zwischen den Standorten. Die Rohstoffe kommen zum Großteil über Schiffe und Kesselwagen, aber die fertigen Produkte gehen per Lkw raus. Deswegen muss Gefahrgut durch einen Tunnel fahren können.

Covestro wartet seit Jahren auf die Inbetriebnahme der CO-Pipeline Dormagen - Krefeld. Ist das Ziel in Sicht?

Schäfer Es läuft ein Planänderungsverfahren bei der Bezirksregierung Düsseldorf, beim Oberverwaltungsgericht in Münster ist ein Verfahren anhängig... 2004 haben wir mit dem Projekt begonnen, hatten Ziele, die sich verschoben haben. Ich habe mir mittlerweile abgewöhnt, über Zeithorizonte zu spekulieren. Ich bleibe aber dabei: Die Pipeline ist wichtig für den Verbund der drei Standorte. Wir müssen in die Versorgung mit CO deutlich mehr Stabilität kriegen.

Die brauchen Sie sicher auch bei der Energiepolitik. Oder denkt Covestro übers Abwandern in energiepreisgünstigere Länder wie die USA nach?

Schäfer Bisher haben wir mit energiepolitischen Ausnahmeregelungen hier gut produzieren können. Wenn aber die Probleme zu groß werden, muss man schon überlegen, wo Investitionen hingehen. Für Deutschland ist die Frage wichtig: Was passiert, wenn wir hier durch eine schwächere Weltwirtschaft unter Druck kommen? Fakt ist, wenn der Ölpreis schwankt, schwankt er für alle Wettbewerber auf der Welt.

Bei Energiepreisen ist das nicht so, dann trifft es nur Deutschland. Generell haben wir bisher noch nie Produktion ins Ausland verlagert, sondern dort zusätzliche Standorte aufgemacht. Von dieser Globalisierung - also zusätzlichen Erträgen und Entwicklungen im Ausland - haben deutsche Standorte profitiert. Denn dies hat Forschung und Innovation hierzulande gestärkt. Neben einem leistungsfähigen Konzept bei Energiepreisen bräuchten wir hierzulande auch eine steuerliche Abzugsfähigkeit bei Innovation und Forschung für große Unternehmen.

Digitalisierung wird immer wichtiger. Führt sie zu Arbeitsplatzabbau?

Schäfer Als ich vor 27 Jahren hier anfing, gab es noch pneumatische Regler. Die wurden auf Elektronik umgestellt, dann kamen Prozessleitsysteme, nun die Digitalisierung - ich denke, sehr große Veränderungen für die Mitarbeiter sind schon gelaufen. Natürlich nutzen wir die Digitalisierung in der Produktion und im Vertrieb. Ob sich dadurch die Anzahl der Arbeitsplätze verringern wird, ist schwer absehbar, weil die Entwicklung nicht abgeschlossen ist. Aber wir waren und sind in der Lage, unsere Mitarbeiter dafür gut zu qualifizieren. Und bisher gibt es so viele Vorgänge, die von Menschen gemacht werden müssen, daher bin ich skeptisch, ob es zu großen Ersetzungen kommen wird.

Ende 2020 läuft die Beschäftigungssicherung aus. Gibt es Verlängerung?

Schäfer Die beste Beschäftigungssicherung ist ein gut laufendes Unternehmen. Zu gegebener Zeit werden wir uns über eine Verlängerung Gedanken machen.

In diesem Jahr ist VCI-Tag, also Tag der offenen Tür im Chempark. Was muss Covestro tun, um noch mehr Akzeptanz bei Bürgern zu finden?

Schäfer Als Bürger kann man mit Chemie wenig anfangen, kauft ja keinen Sack Polycarbonat. Aber wir müssen deutlicher zeigen, wo die Produkte eingesetzt werden. Ich sage immer: Sie sind nie mehr als einen Meter von einem unserer Produkte entfernt, ob Sie im Auto sitzen oder Koffer packen.

Patrick Thomas packt demnächst seine Koffer. Was wird unter Markus Steilemann als neuem Chef anders?

Schäfer Markus Steilemann hat schon einige Jahre im Vorstand das Unternehmen mitgeprägt, insofern wird es wesentlich mehr Kontinuität geben als Veränderung. Und die Zusammenarbeit mit Patrick Thomas werde ich vermissen genau wie den einen oder anderen Wein-Abend.

LUDMILLA HAUSER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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