Leverkusen Yellow Jackets - wenn die dicken Saiten slappen

Leverkusen · Ein Harfenist mit Sprengstofftemperament, eine Band wie ein Chamäleon - die Jazztage hatten wieder viel zu bieten.

 Auch nach 35 Jahren noch taufrisch: die Yellow Jackets.

Auch nach 35 Jahren noch taufrisch: die Yellow Jackets.

Foto: Uwe Miserius

Süd- und Nordamerika trafen sich musikalisch in Leverkusen am "Meeting Point"der Hauptbühne im Forum. Eindeutigen Promi-Status besaßen die Yellow Jackets, eine Band, die sich dem Instrumental-Jazz verschrieben hat - vor mehr als 35 Jahren. Und die Jungs sind taufrisch geblieben - mit relativ konstanter Besetzung.

Sie heißen Cumbia und Chandé, Joropo oder Pasillo, Klänge von den nördlichen Küsten Südamerikas bis zu den Anden. Bruno Böhmer Camacho verwirbelt in seinem Trio traditionelle Töne mit jazzigen Passagen, das erinnert an sehr klassische Form- und Melodie-Modelle, eine Art kolumbianischer "Play Bach". Das änderte sich aber mit dem Auftritt des in New York lebenden kolumbianischen Harfenisten Edmar Castaneda, ein Derwisch mit Sprengstofftemperament, der sich in die Harfe hineinkniet und -biegt, ein rabiater Stehharfer. Das hatte nichts zu tun mit dem weitschweifenden Schwanenflug einstiger Vollenweider-Harfenklänge. Castaneda wühlt einen ruppigen Bass aus den Saiten und reißt die Töne im Diskant dazu. Der penetrante Inkaflöten-Weihnachtsmarktsound, der erzwungene Erstkontakt eines hiesigen Normalos mit südamerikanischen Klängen, schwebte nur als süße Note weit im Hintergrund dieser Musik, die von der Begeisterung der Musiker für die eigene Sache überzeugend und authentisch getragen wird.

"Tango" stand bei "Quadro Nuevo" auf dem Programm, Südamerika die Zweite, von der Natur in die enge, schwitzig-schwüle Atmosphäre argentinischer Cafes oder Wein- und Tanzlokale - das verschwimmt in Buenos Aires. Harfe die Zweite, aber diesmal Bandoneon plus Flügel, Kontrabass statt E-Bass, Percussion statt Drums: Kammermusiksound mit klug gesetzten Arrangements, die eine möglichst große Farbnuancierung bieten, Mischungen wie Bandoneon und Sax klingen da wie ein Bläsersatz. Die Band, laut Ansage von Jazztage-Macher Eckhard Meszelinsky mit einer rekordverdächtigen Auftrittsdichte, war entsprechend perfekt eingespielt. Stück ging in Stück oder wurde wie im Finale zu klingendem Musiktheater - da wurden echte Geschichten erzählt.

Eine Brücke zu den Yellow Jackets, einer Legende in den Staaten, hierzulande eher von Jazzfreunden geliebt, gibt es nicht. Saxophonist Bob Mintzer, als Arrangeur und Solist als Gast mit der WDR Big Band im Erholungshaus zu erleben, stellte begeistert den neuen Bassisten Dane Alderson vor. "Sehr musikalisch", meinte Bob. Aber das reicht nach solchen Raketen wie Jimmy Haslip oder zuletzt dem Pastorius-Sohn nicht. Denn die dicken Saiten müssen slappen, swingen und hohes Tempo gehen. Gingen sie bei Alderson.

Und die Band, die ja stilistisch wandelbar ist wie ein Chamäleon, swingte auch gewaltig. Was den alten gelben Jacken immer wieder den Staub aus den Schulterpolstern rieseln lässt: Energie, Perfektion, mühelose Virtuosität, Konstanz. William Kennedy sitzt bald 30 Jahre am Schlagzeug, Pianist Russel Ferrante seit den ersten Kontakten 1978. Trotzdem ist keine Routine spürbar.

Einfach toll.

(RP)
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