Nierst 111 Jahre Karneval - ein Dorf feiert

Nierst · Im Jahr 1905 wurde die Karnevalsgesellschaft Kött on Kleen in Nierst gegründet. Sie hat dem Dorf seine Identität gegeben und sorgt heute dafür, dass die Nierster einen großen Zusammenhalt üben - besonders, wenn es um die Wurst geht.

 Den Pajas, der die Wurst holt, kennt man heute noch in Nierst. Hier ein Bild aus frühen Tagen, als die Wurst von den Höfen eingesammelt und später gemeinsam verspeist wurde. Die Wurzeln des Nierster Karnevals liegen im "Wooschmontag".

Den Pajas, der die Wurst holt, kennt man heute noch in Nierst. Hier ein Bild aus frühen Tagen, als die Wurst von den Höfen eingesammelt und später gemeinsam verspeist wurde. Die Wurzeln des Nierster Karnevals liegen im "Wooschmontag".

Foto: Chronik KG

Für die Nierster Narren ist es ein besonderer Geburtstag: 111 Jahre wird die Karnevalsgesellschaft Kött on Kleen aus Meerbusch-Nierst in diesem Jahr alt und ist damit eine der ältesten Karnevalsgesellschaften im gesamten Rhein-Kreis Neuss. Diesen Anlass feiert das Dorf auf geradezu unkarnevalistische Weise: mit einem Oktoberfest auf dem Festplatz mitten im Dorf. "Wir wollten mal etwas anderes machen", sagt Florian Neuhausen, Sprecher der Nierster Karnevalisten.

"Etwas anderes machen" - das ist gleichsam das Motto des 111 Jahre alten Vereins, dessen Bedeutung für den Ort in all den Jahren stetig gewachsen ist. Alles begann mit dem sogenannten "Wooschmontag" - junge Männer gehen von Haus zu Haus und sammeln Würste ein. Auch in Nierst gab es diesen Brauch - noch vor der Gründung der KG Kött on Kleen versammelten sich junge Männer zum Bratwurstessen. Dort liegen die Wurzeln für den Nierster Karneval, der sich am 2. Januar 1905 eine Satzung gibt. Woher der Name "Kött on Kleen" stammt, ist allerdings heute unbekannt.

 Florian Neuhausen auf dem Festplatz vor der Dorfkirche in Nierst. Hier wird bald auch das Oktoberfest gefeiert.

Florian Neuhausen auf dem Festplatz vor der Dorfkirche in Nierst. Hier wird bald auch das Oktoberfest gefeiert.

Foto: Ulli Dackweiler

Nierst - es ist in den frühen Jahren der KG ein Dorf der Junggesellen: Ausschließlich unverheiratete Männer sind am Anfang Mitglied. Im Jahr 1923 gibt es eine vollständige Mitgliederliste von damals 30 Mitgliedern, die sich 1938 auf 56 erhöht. Wohlgemerkt: Damals zählte das Dorf nur 500 Einwohner.

1939 enden die Karnevalsaktivitäten aufgrund des Zweiten Weltkriegs, 1949 werden die Vereinsaktivitäten wieder aufgenommen ist. Die Inspiration kommt ausgerechnet aus der Nachbarstadt, wie es in der Vereinschronik heißt. So weicht die Große Karnevalsgesellschaft von 1878 aus Krefeld für ihre erste Nachkriegssitzung nach Nierst aus. Dies sei ein Impuls für den Nierster Karneval gewesen: Die KG Kött on Kleen wird wieder ins Leben gerufen. Am Rosenmontag 1949 gibt es das Wurstessen im Festsaal, mit Gattinen. Wer alleine kommt, zahlt fünf D-Mark Strafe. So haben es die Chronisten festgehalten.

 Beweisstück: Dies ist die Titelzeile der Gründungsurkunde aus dem Jahr 1905. Genehmigt wurde die Satzung unter anderem von der Polizeiverwaltung.

Beweisstück: Dies ist die Titelzeile der Gründungsurkunde aus dem Jahr 1905. Genehmigt wurde die Satzung unter anderem von der Polizeiverwaltung.

Foto: KG Kött en kleen

Schon ein Jahr später macht die KG Kött on Kleen wieder "etwas anders": Aus dem Junggesellenverein wird, weil viele Aktive vor der Hochzeit stehen, ein Männerverein. Auch Verheiratete dürfen nun Mitglied werden. Neu auch eine andere Regel: Wer aus Nierst wegzieht, musste früher aus dem Verein austreten. Dieser Passus wird ebenfalls gestrichen. So gibt es genug Mitstreiter für den ersten Karnevalszug nach dem Krieg im Jahr 1950. Der Rosenmontag ist von da an der Nierster Feiertag schlechthin. Anfangs hat der Karnevalsprinz noch eine Prinzessin an seiner Seite - dies sei aber zu teuer gewesen, heißt es in der Chronik ("Als Preistreiber werden die prachtvollen Kleider ausgemacht"). Das Nierster Urgestein Adolf Rütten ("Man") regt an, wie in alten Zeiten nur einen Prinz und vier Minister regieren zu lassen. Dabei bleibt es bis heute.

Wechselvoll ist auch die Geschichte der Versammlungsstätten - weil immer wieder Kneipen schließen oder für Flüchtlinge genutzt werden, kaufen die Karnevalisten ein Zelt. Zwar ist es dort im Winter kalt, aber die KG Kött on Kleen dichtet das Zelt einfach mit Mist ab. Das wird irgendwann von der Lanker Verwaltung verboten. Seinen festen Platz findet das Zelt später auf dem Schulhof gegenüber der Kirche, wo es seit nunmehr fünf Jahrzehnten steht.

Das Dorf Nierst hat heute 1400 Einwohner, der Karnevalsverein wiederum hat 152 Mitglieder. "Die Karnevalstradition bei uns im Ort spürt man", sagt Florian Neuhausen als Sprecher der KG Kött on Kleen. Er selbst ist mit 16 Jahren eingetreten, wohnt immer noch im Dorf wie viele andere junge Männer auch. Der Karneval verbindet.

Die schönste Zeit ist für Neuhausen immer das Bauen der Karnevalswagen auf den Höfen. In Gruppen von acht bis zehn Personen versammeln sich die Nierster auf den Höfen und werkeln an den Wagen - meist ab Dezember, meist am Wochenende. Für den Karneval nimmt man in Nierst gerne Arbeit in Kauf. "Wir sind eine große Familie." Diesen familiären Charakter wollen die Nierster auch beim Oktoberfest unter Beweis stellen. Ein Karnevalsverein, der sein Jubiläum mit einem Oktoberfest feiert - sie machen es eben immer "etwas anders" in Nierst.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort