Meerbusch Als der Erste Weltkrieg nach Lank kam

Meerbusch · Der Heimatkreis hat eines der interessantesten Kapitel der Heimatgeschichte in ein 320 Seiten starkes Buch gepackt: Wie der Erste Weltkrieg Lank und die Rheingemeinden beeinflusst hat. Das Ergebnis ist hoch spannender Lesestoff

 Da war die Welt noch in Ordnung: Musketier Peter Haßlach aus Bösinghoven (zweiter von rechts) mit seinen Kameraden.

Da war die Welt noch in Ordnung: Musketier Peter Haßlach aus Bösinghoven (zweiter von rechts) mit seinen Kameraden.

Foto: Sammlung Grotenburg-Haßlach

Die ersten Soldaten hatten Lank noch gar nicht verlassen, da "Gleich zu Beginn des Krieges fingen die Lebensmittelpreise an zu steigen. Diese Preissteigerung hat ihren Grund hauptsächlich in dem so genannten Hamstern weiter Kreise und in dem Aufkaufen der Waren von gewissenlosen Spekulanten." So trug es der Lanker Dorflehrer Schrievers in die Schulchronik ein, als viele Deutsche jubelnd in einen Krieg zogen, der später zum Ersten Weltkrieg werden sollte und in der Rückschau als "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts in die Geschichtsbücher einging.

Ein etwas anderes Geschichtsbuch hat jetzt der Heimatkreis Lank herausgebracht. "Meerbusch-Lank im Ersten Weltkrieg" heißt es - und es umfasst auf 320 Seiten Briefe und Zeugnisse von Front und Heimat, die erstmals ein solides Bild davon vermitteln, wie der Krieg Lank und die Rheingemeinden beeinflusst hat. "Um den lokalen Hintergrund des Krieges zu verstehen, sind die noch vorhandenen Schulchroniken ein wichtiges Material", sagt Franz-Josef Radmacher, Vorsitzender des Heimatkreises. Schon 1872 hatte die preußische Schulbehörde die Dorflehrer angehalten, die Geschichte der Heimat niederzuschreiben. Daneben speist sich das Buch aus Feldpostbriefen in die Heimat und dem Katholischen Kirchenblatt, das neben "Benachrichtigungen vom Heldentode" unter anderem die Briefe von Soldaten abdruckte. Wie diese Zeilen, die Hubert Wieler von der Front nach Lank schickte: "Lieber Vater! Sende Dir meine herzlichsten Grüße! Es kann vielleicht der letzte sein, denn nun können wir mal zeigen, was wir leisten und wir werden auch unser Bestes dran setzen. Nun liegt die Möglichkeit vor, dass ich falle... Es tut mir leid um Mutter, die viel für mich getan. Steh du ihr bei, auch das zu ertragen. Bei Verwundung erhaltet ihr Nachricht. Wie Gott will! Vielleicht sehen wir uns in der Heimat wieder." Hubert Wieler, der Bruder des späteren Amtsbürgermeisters und Bäckermeisters Heinrich Wieler, als Freiwilliger in den Krieg gezogen. Vier Tage nach seinem 17. Geburtstag. Er war der jüngste Gefallene aus Lank. Das Redaktionsteam des Buches setzte sein Foto auf den Titel.

"Wir hatten Glück bei unseren Recherchen", berichtet Radmacher. "Beim Abriss des alten Lanker Pfarrhauses lagen die Kirchenblätter schon im Bauschuttcontainer, wo sie zum Glück gefunden worden." So sind auch Weihnachtsgedichte von Lanker Soldaten, geschrieben in den Schützengräben, der Nachwelt erhalten geblieben.

Seinen besonderen Stellenwert aber erlangt das Buch vor allem durch die Schilderungen der "Heimatfront" aus den Schulchroniken. Wie schnell die Kartoffelpreise zu Beginn des Krieges kletterten (und dass der Bürgermeister schnell in Holland Kartoffeln für seinen Ort organisierte), wo im Juli 1915 40 gefangene Franzosen untergebracht wurden (im Saal der Wirtschaft Schlöper), dass das Theater am Wasserturm zum Kriegsgefangenenlager wurde, wie 1916 rund 120 Kinder aus Düsseldorf fünf Wochen lang nach Lank geschickt wurden, um aufgepäppelt zu werden - all diese einzelnen Begebenheiten zeigen, wie der Krieg auch nach Lank und in die Rheingemeinden kam. Dabei ging es der Bevölkerung auf dem Lande noch verhältnismäßig gut. Jeden Samstag war Fleischausgabe der drei Lanker Metzger, und oft waren auch Leute von auswärts da. "Schon um 1 bis 2 Uhr in der Nacht fanden sich Leute ein, um vielleicht um 8 Uhr ihr Pfund Fleisch zu erhalten", ist in der Lanker Schulchronik aus dem Jahr 1916 notiert. "Nicht selten kam es zu handgreiflichen Ausschreitungen."

Not machte erfinderisch: "Wegen Kohlemangel wurden die Weihnachtsferien vom 3. bis 16 Januar verlängert", schrieb Pfarrer Pfeiffer. 1918, im letzten Kriegsjahr, wurden die Hühnerhalter in Lank zur Abgabe von Eiern verpflichtet. "Die Eier sind für Kranke und Schwache bestimmt", heißt es in der Schulchronik. "Kaffee verschwand vollständig. Die Läden waren leer." Auch auf den Straßen wurde es stiller: "Viele Pferde waren eingezogen, Autos beschlagnahmt, die Bereifung der Fahrräder wurde abgeliefert." Und dann der 19. November. Der Kaiser hatte abgedankt, zehn Tage später kamen Truppen auf ihrem Rückzug durch Latum. In der Schulchronik steht: "Zur Begrüßung waren die Fahnen geschmückt. Wie anders hatte man sich die Heimkehr unserer Helden ausgemalt. Und nun die rauhe Wirklichkeit. Still, ohne Gesang und Feierlichkeit. Wohl ein freundliches Grüßen hin und her - aber etwas Drückendes lastet."

(RP)
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