Meerbusch Als Meerbusch ausgelöscht werden sollte

Meerbusch · Vor 40 Jahren beschloss der NRW-Landtag die Auflösung der gerade erst gegründeten Stadt Meerbusch. Es war der Auftakt eines beispiellosen Existenzkampfes — der am Ende von Erfolg gekrönt wurde

 Veranstaltung nach Verkündung des Verfassungsgerichtsurteils am 13. September 1975; am Rednerpult: Bürgermeister Ernst Handschuhmacher, rechts Ratsmitglied Ernst Nüse, hinten: Herbert Jacobs, einer der Sprecher des Bürgerkomitees "Ja zu Meerbusch".

Veranstaltung nach Verkündung des Verfassungsgerichtsurteils am 13. September 1975; am Rednerpult: Bürgermeister Ernst Handschuhmacher, rechts Ratsmitglied Ernst Nüse, hinten: Herbert Jacobs, einer der Sprecher des Bürgerkomitees "Ja zu Meerbusch".

Foto: Stadtarchiv Meerbusch

Vor 40 Jahren trat ein Gesetz in Kraft, das der damals gerade einmal fünf Jahre jungen Stadt Meerbusch den Garaus machen sollte: Im Düsseldorf-Gesetz wurde geregelt, dass die 1970 gegründete Stadt 1975 aufgeteilt werden sollte: Ossum-Bösinghoven, Lank-Latum, Nierst und Langst-Kierst sollten der Stadt Krefeld zugeschlagen werden, Büderich, Strümp, Osterath und Ilverich Stadtteile von Düsseldorf werden. Meerbuschs erster gewählter Bürgermeister Ernst Handschumacher sah sich gezwungen, zur letzten Ratssitzung einzuladen. "Ich war glücklich, Ihr Bürgermeister zu sein!", sagte er am Ende der Sitzung.

Herbert Jacobs war damals Vorsitzender des Deutschen Roten Kreuz Meerbusch: "Wir hatten schon alle Akten eingepackt, saßen förmlich auf gepackten Koffern", erinnert er sich. Doch kampflos ergaben sich die Meerbuscher der Auslöschung ihrer Stadt nicht: "Ja zu Meerbusch" lautete der Slogan eines eilig einberufenen Bürgerkomitees. Neben dem späteren CDU-Ratsherrn Jacobs gehörten auch der Lanker Werbefachmann Kurt Schindlauer und die Büdericher Journalistin Helga Köhler zum Sprechergremium.

Während die Politiker den juristischen Weg einschlugen und Verfassungsbeschwerde gegen das Düsseldorf-Gesetz einlegten - , ersann das Bürgerkomitee zahlreiche Aktionen: Da wurde mal ein Schleppbannerflugzeug über Düsseldorf gechartert, mit der Botschaft "Hände weg von Meerbusch" darauf. Tausende signalgelbe runde Aufkleber wurden gedruckt mit dem Spruch "Ja zu Meerbusch", die sich viele Meerbuscher auf ihre Autos klebten. "Zum Vatertag haben wir den Landtagsabgeordneten Spazierstöcke samt Wanderkarte von Meerbusch geschickt, damit sie sich ein Bild von Meerbusch machen können", berichtet Jacobs.

Und den Ehefrauen der Abgeordneten schickten die freundlichen Meerbuscher noch freundlichere Blumengrüße - natürlich mit der Absicht, dass sie bei ihren Ehemännern ein gutes Wort für den Erhalt der Stadt Meerbusch einlegten. Das gefiel nicht allen: "Ich habe noch den Brief der Gattin des damaligen Ministerpräsidenten, in dem sie fragt, was die Blumen gekostet hätten", sagt Jacobs. "Sie schrieb, sie wolle das Geld gerne erstatten, sie sei nicht bestechlich." In Erwägung gezogen wurde auch der Einsatz der Artillerie der Büdericher Schützenbruderschaft: Sie sollte bei einer Großkundgebung gegen die Eingemeindung 101 Böllerschüsse abgeben. Das Vorhaben scheiterte allerdings an den technischen Möglichkeiten der Schützenartillerie.

 Aufkleber wie diesen oder den gelben Button "Ja zu Meerbusch" ließ das Bürgerkomitee zu tausenden drucken.

Aufkleber wie diesen oder den gelben Button "Ja zu Meerbusch" ließ das Bürgerkomitee zu tausenden drucken.

Foto: Stadtarchiv/ Nachlass Schindlauer

Ohnehin hatten die Meerbuscher Pech gehabt: Erst in der dritten Lesung, zwei Monate vor Verabschiedung des Düsseldorf-Gesetzes, war erstmals konkret von der Auflösung Meerbuschs die Rede.

Zwar setzte das Verfassungsgericht einen Monat vor der geplanten Auflösung der Stadt Meerbusch den Vollzug des Düsseldorf-Gesetzes per einstweiliger Anordnung außer Kraft, dennoch hing das Schicksal der Stadt am seidenen Faden. Das änderte sich auch nicht grundlegend, als der Verfassungsgerichtshof im September entschied, dass das Düsseldorf-Gesetz, so weit es Meerbusch betrag, nichtig sei. Denn die Richter, so die damalige Auffassung, stützten ihr Urteil auf formale Mängel im Anhörungsverfahren. Diese formalen Mängel wollte der damalige Innenminister Burkhard Hirsch (FDP) heilen - und bat vor einer erneuten Entscheidung im Landtag zur Anhörung ins Meerbusch-Gymnasium.

Wie Meerbusch gerettet wurde, darüber gehen die Meinungen seither auseinander. Der damalige Stadtdirektor Edgar Sonnenschein sagt: "Bei der Anhörung hat Bürgermeister Handschumacher derart auf den Putz gehauen, dass der Innenminister den Journalisten des WDR das weitere Filmen untersagte. Der Eklat hat den einen oder anderen Landtagsabgeordneten noch auf unsere Seite geholt."

Der damalige Innenminister Burkhard Hirsch sieht hingegen nicht den Meerbuscher Bürgermeister, sondern die Düsseldorfer Sozialdemokraten als Retter der Stadt Meerbusch: "Sie ließen mir durch einen ihrer führenden Repräsentanten erklären, dass die Eingliederung von Büderich, Osterath, Strümp und Ilverich nach Düsseldorf ihre Aussichten bei der nächsten Kommunalwahl erheblich beeinträchtigen würde und dass sie daher dafür sorgen würden, dass die SPD im Landtag dem Düsseldorfgesetz nur dann zustimmen werde, wenn ein Ausgleich für diese Stimmenverschiebung vorgeschlagen werde." Ihr Ziel sei die gleichzeitige Eingemeindung von Erkrath gewesen. Tatsächlich hatte sich das Gesetzgebungsverfahren kompliziert, weil sich die Landtagsabgeordneten nicht darüber einig waren, inwieweit neben der Auflösung der Stadt Meerbusch auch über die von Erkrath entschieden werden sollte.

Fakt ist: Am 20. Mai 1976 stimmten 94 Landtagsabgeordnete im so genannten Hammelsprung für den Erhalt der Stadt Meerbusch, 92 dagegen. Meerbusch war gerettet.

(RP)
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