Meerbusch Als syrischer Flüchtling in Lank

Meerbusch · In ihrer Heimat herrscht Krieg. Über die Türkei und Griechenland flüchteten Somea Haedo und Emanuel Sorisho nach Deutschland. Seit 20 Monaten lebt das Paar nun mit einem seiner drei Söhne in Meerbusch.

Meerbusch: Als syrischer Flüchtling in Lank
Foto: Dackweiler, Ulli

Vor 20 Monaten kamen Somea Haedo (47) und Emanuel Sorisho (54) nach Deutschland. Sie stammen aus Syrien, doch blieb ihnen angesichts des Krieges nichts anderes übrig als zu fliehen. "Unsere Kirche wurde angezündet, überall wurde eingebrochen, gestohlen, Menschen wurden verletzt", berichtet Emanuel. "Da mussten wir gehen." Sie wohnten in Al Hasaka, einer Stadt im Nordosten Syriens. Hier leben vor allem Aramäer, Assyrer und Kurden. Viele hier sind Christen, gehören den orthodoxen Glaubensrichtungen an, oder sind katholisch - so wie Somea und Emanuel. Einen Ausreiseantrag stellen? Nein, es gibt kein Visum. Da blieb nur, illegal über die Türkei zu fliehen. Und von der Türkei nach Griechenland, dann weiter nach Deutschland. 5000 bis 6000 Euro werden zurzeit von den Schleppern verlangt, um eine Person von Griechenland nach Deutschland zu bringen. Vor einiger Zeit waren es etwa 1000 Euro. Doch der Markt macht den Preis. Die Familie Sorisho hatte Glück, denn sie hatten gespart. Emanuel war Taxifahrer in Syrien, Somea hatte als Tagesmutter gearbeitet.

"Es war immer mein Traum, nach Deutschland zu kommen", meint Emanuel. "Zwei meiner Brüder sind seit Jahren in Norwegen, einer in Australien. Doch wir wollten lieber hierher." Drei erwachsene Söhne hat das Ehepaar Sorisho - zwei kamen bereits vor zwei Jahren nach Deutschland und leben nun in Paderborn und Bielefeld. Der jüngste, 18 Jahre alt, kam später nach und lebt mit seinen Eltern in Meerbusch - er geht noch zur Schule. Seit einem Monat hat die Familie eine eigene Wohnung, lebt nicht mehr im Übergangswohnheim. Im Wohnzimmer steht direkt neben der Tür ein Vitrinenschrank - Somea nimmt ein paar Bilder heraus - von den drei Söhnen und sogar ein Hochzeitsfoto von ihr und ihrem Mann. An einer Wand steht ein Fernseher - so können die Sorishos auch Nachrichten auf Arabisch aus ihrem Land sehen. Deutsche Sender schauen sie selten, denn noch verstehen sie nicht viel. Somea bringt zum Gespräch gleich Tee und Plätzchen zum Esstisch. Gerne wäre das syrische Ehepaar bei einem ihrer Söhne gelandet. Doch sie wurden in Dortmund der Stadt Meerbusch zugewiesen.

Auf die Frage, was ihnen hier besonders schwer falle, antworten beide wie aus einem Mund: "Die Sprache." Arabisch und Aramäisch sprechen die beiden. Englisch haben sie der Schule gelernt. Seit drei Monaten besuchen sie dreimal pro Woche den Deutsch- und Integrationskurs in Neuss. Der ist Pflicht. Emanuel und Somea haben keine Scheu die noch ungewohnte Sprache zu sprechen - naja, ein wenig vielleicht. Doch sie möchten keine Fehler machen und korrigieren sich daher gegenseitig.

Das syrische Ehepaar ist froh, dass Ehsan Kashat, ein Nachbar, für sie übersetzt. Ehsan lebt bereits seit zwanzig Jahren hier, ist verheiratet und Vater von drei kleinen Söhnen. Er kommt aus dem Irak und hat bereits über zehn Jahre die deutsche Staatsbürgerschaft. Neben Deutsch spricht er eben auch Arabisch und Aramäisch. Er und seine Familie helfen den Sorishos, wo sie können. Ehsan hat die Familie auch zur Ausländerbehörde nach Grevenbroich begleitet, um Ausweise zu erhalten. Asyl hatten sie bereits vorher bei der zentralen Ausländerbehörde in Dortmund (eine von drei in NRW) beantragt und sofort eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Mit den Behörden haben sie keine Probleme. Im Gegenteil, alle seien sehr freundlich.

Die Familie Kashat ist, neben der Betreuung durch die Diakonie, der einzige Kontakt der syrischen Familie in Meerbusch. Kontakte - ja, das ist etwas, das fehlt. "In Al Hasaka kamen immer Nachbarn vorbei, meist war das Haus abends voll", berichtet Emanuel wehmütig. Heute sind sie viel allein. Sie haben Heimweh.

Jeden Sonntag gehen Somea und Emanuel in die Messe in St. Stephanus, zusammen mit der Familie Kashat, die ebenfalls katholisch ist. Doch leider haben sich noch keine weiteren Bekanntschaften ergeben. Die beiden würden gerne mehr Menschen kennenlernen. Durch Gespräche mit Lankern könnten sie zudem schneller Deutsch lernen. Durch den Sprach- und Integrationskursus sind Somea und Emanuel unter der Woche wenigstens etwas beschäftigt. Der Haushalt ist natürlich auch noch da. Ansonsten gehen sie viel spazieren, kaufen ein oder treffen sich mit den Kashats. Doch jetzt sind auch noch Ferien.

Nur selten hören Somea und Emanuel etwas von dem Teil ihrer Familie, der in Syrien geblieben ist. Beide Mütter und zwei Brüder leben noch dort. "Seit drei Jahren herrscht Krieg in unserem Land", sagt Somea, "es gibt nicht mehr viel zu essen. Die Felder werden kaum noch bestellt aus Angst vor Plünderung und wegen der Wasserknappheit." Die meisten ihrer Nachbarn seien inzwischen geflohen. Seit mehr als drei Monaten haben sie nichts mehr von ihren Müttern gehört. "Es gibt kein Netz mehr", erklärt Ehsan. "Dasselbe Problem habe ich mit meiner Familie im Irak - aber erst seit drei Wochen."

(RP)
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