Interview: Analyse AMW — die forsche Stadtspitze

Meerbusch · Vor 100 Tagen wurde die Christdemokratin Angelika Mielke-Westerlage als erste Bürgermeisterin in der Stadtgeschichte vereidigt. Seither hat sich schon manches in Meerbusch geändert.

 26. Juni: Angelika Mielke-Westerlage wird in der Aula des Meerbusch-Gymnasiums vereidigt.

26. Juni: Angelika Mielke-Westerlage wird in der Aula des Meerbusch-Gymnasiums vereidigt.

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Angelika Mielke-Westerlage war bereits vor ihrer Kandidatur zur Bürgermeisterin ein Sonderfall in der Politik: Dass die Vorsitzenden von SPD, FDP, Grünen, UWG und Zentrum sich ausgerechnet auf die Christdemokratin als ihre gemeinsame Bürgermeisterkandidatin verständigten, ist mit dem Wort außergewöhnlich noch milde umschrieben - und ohne Beispiel in den Rathäusern der Republik. Mielke-Westerlage, die Erste Beigeordnete der Stadt, gab den anderen Parteien einen Korb, wurde von der CDU nominiert und gewann die Wahl überlegen im ersten Wahlgang mit 58,8 Prozent gegen zwei weitere Bewerber - mit einem deutlich besseren Ergebnis als ihre Partei.

 27. Juni: Bei der Verabschiedung ihres Amtsvorgängers Dieter Spindler (zweiter von rechts).

27. Juni: Bei der Verabschiedung ihres Amtsvorgängers Dieter Spindler (zweiter von rechts).

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Vor 100 Tagen wurde Mielke-Westerlage als erste Bürgermeisterin der Stadtgeschichte vereidigt. Zerbrechlich wirkte sie damals, ausgezehrt vom Wahlkampf, mit einem reichen Aufgabenbündel vor sich und in dem Wissen, dass das wichtige Dezernat, in dessen Zuständigkeitsbereich Schulen, Kindergärten, Sport, Soziales, Kultur, Umwelt und so einiges mehr fallen, auf Monate verwaist sein würde. Weil die bisherige Dezernentin soeben zur Bürgermeisterin gewählt worden war.

 9. Juli: Der erste Tag im umgestalteten Bürgermeisterin-Büro im Rathaus.

9. Juli: Der erste Tag im umgestalteten Bürgermeisterin-Büro im Rathaus.

Foto: Ulli Dackweiler

Mit 60 Jahren mag der eine oder andere erste Gedanken dem Ruhestand oder dem Vorruhestand widmen. Mielke-Westerlage, die 1974 ihre Laufbahn bei der Meerbuscher Stadtverwaltung begann, lässt sich hingegen vielleicht am besten mit etwas vergleichen, das es nicht gibt: Ein elektronisches Schweizer Taschenmesser, das 40 Jahre lang aufgeladen wurde, und jetzt mit vollen Akkus loslegt: hier schraubt, dort sägt, nebenbei Korken zieht, Schrauben dreht und damit beginnt, das eine oder andere dicke Brett zu durchbohren.

 10. September: Bei der Vorstellung der Sanierungspläne des Hallenbads mit Planungsdezernent Just Gérard.

10. September: Bei der Vorstellung der Sanierungspläne des Hallenbads mit Planungsdezernent Just Gérard.

Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Für mehr Bürgernähe und Transparenz ist die Amtsinhaberin angetreten - seit einigen Wochen gibt's Newsletter aus dem Rathaus, ist die Verwaltung auch bei den Neuen Medien vertreten. Damit wendet sie sich auch gegen Bestrebungen aus der Politik, die Themen von Ausschusssitzungen bis zum Tagungstermin vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Bei der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses mussten die Vertreter des Netzbetreibers Amprion angesichts der gewitzten Nachfragen der Bürgermeisterin feststellen: Diese Stadtspitze kann auch piksen. Angepikst hat Mielke-Westerlage zudem den städtischen Haushalt: Der nächste Entwurf wird weniger Pufferpositionen enthalten, sich stärker an der Realität orientieren. Das spart Zinsen für Kassenkredite. Und: In der Fluglärmkommission konnte sich die Bürgermeisterin mit dem Vorschlag durchsetzen, dass die Abflugroute über Meerbusch probehalber angepasst wird. Ziel: zu schauen, ob die Lanker besser vor Fluglärm geschützt werden können, ohne andernorts neue Befindlichkeiten zu schaffen.

Das ist eine ordentliche Bilanz nach 100 Tagen. Dass die gebürtige Lankerin die Stadt aus dem Effeff kennt, bestens vernetzt ist und sich in der Stadtverwaltung auskennt wie keine Zweite, hilft ihr bei der Führung der Amtsgeschäfte. Bereits als Erste Beigeordnete war sie tief in den Themenbereichen ihrer Fachbereiche drin, hatte zur Not immer eine Handakte parat - weil sie gelernt hat, dass der Teufel oft im Detail steckt. Neben ihren drei wesentlichen Eigenschaften - Fleiß, Fleiß und Fleiß - sind es ihre pragmatische, sachorientierte Art und ihre Lust auch an unkonventionellen Lösungen, die sie häufig zu einer gesuchten Gesprächspartnerin der anderen Meerbuscher Parteien machen. Und: Sie ist neugierig im besten Sinne des Wortes. Gepaart mit Erfahrung ist das eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit.

Kritik musste Mielke-Westerlage jüngst einstecken, weil sie im Zuge der Edeka-Öffnungszeiten Mitarbeiter der Stadtverwaltung öffentlich abwatschte. Tatsächlich ist das ein Zeichen von Schwäche, signalisiert: Da hat jemand seinen Laden nicht im Griff. Nach 100 Tagen sollte das aber der Fall sein.

Wesentliche Ziele ihrer Kandidatur - ein ganzheitliches Stadtentwicklungskonzept, das auch die demografische Entwicklung berücksichtigt, und ein Immobilienkonzept für die städtischen Liegenschaften - kann Mielke-Westerlage noch nicht vorlegen. Sie werden zurzeit im Rathaus vorbereitet. Die Bürgermeisterin weiß: Auch wer mit dem Kopf durch die Wand will, sollte erstmal eine Tür suchen. Diese Themen sind zu wichtig, als dass ein Schnellschuss genügen würde.

(RP)
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