Johanna Neumann "Auto fahren ist völlig out"

Meerbusch · Meerbuschs Klimaschutzbeauftragte über das Radfahren, das schlechte Gewissen beim Fliegen und die vielen SUVs im Straßenbild

Johanna Neumann: "Auto fahren ist völlig out"
Foto: Dackweiler, Ulli (ud)

Das Klimaschutzkonzept hat das Ziel, die klimaschädliche CO2-Emission alle fünf Jahre um zehn Prozent zu senken. Mal ehrlich: Das ist doch gar nicht zu schaffen, oder?

Johanna Neumann Naja, es ist definitiv schwierig. 2010 hat Deutschland das Ziel im Vergleich zu 1990 erreicht. Jetzt ist das Ziel: 40 Prozent CO2-Reduktion. Das ist sehr ambitioniert. Mit unserem Klimaschutzkonzept tragen wir auf kommunaler Ebene dazu bei.

Wie wollen Sie das Ziel denn rein praktisch erreichen?

Neumann Es gibt einen ganzen Katalog mit rund 50 Maßnahmen. Ziel ist es, diese Maßnahmen umzusetzen.

Zum Beispiel, indem Sie mehr Meerbuscher aufs Rad bringen?

Neumann Das mit dem Fahrrad ist nur eine Maßnahme in dem ganzen Konzept. Die Intention ist, dass die Leute mehr Fahrrad fahren sollen. Der Verkehrssektor in Meerbusch macht 40 Prozent der Emissionen aus. Fahrradfahren ist gesund, sehr gut fürs Klima, sehr gut fürs Stadtbild. Es hat nur Vorteile.

Sie haben angeregt, dass gerade auch die kurzen Wege mit dem Rad zurückgelegt werden. Wird das gemacht?

Neumann Es gibt so genannte Modal-Split-Untersuchungen, die die Wege aller Verkehrsteilnehmer zählen. Also aufgeteilt für Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV und Pkw-Fahrer. Die letzte Untersuchung wurde für Meerbusch vor zwei Jahren durch die TU Dresden durchgeführt. Der Anteil der Radfahrer lag bei 14 Prozent.

Das klingt nicht nach viel.

Neumann Unser Ziel ist es, 25 Prozent zu erreichen. Städte wie Münster liegen im Vergleich bei über 40 Prozent.

Wie wollen Sie denn die Meerbuscher dazu animieren, mehr Fahrrad zu fahren?

Neumann Wir haben ja jetzt die letzten drei Jahre das Stadtradeln. Und dieses Mal mit ganz großem Erfolg. DiesesJahr haben wir etwas über 64 000 Kilometer gemacht. 244 Radler waren dabei. Im letzten Jahr waren es an die 37 000 Kilometer und davor das Jahr waren es so um die 47 000. Das ist eine Aktivität, die sich erst mal etablieren muss. Mit den Jahren kann es eigentlich nur noch besser werden.

Ist es Trend, mehr Fahrrad zu fahren?

Neumann Auf jeden Fall. Man sieht Politiker auf dem Fahrrad, Geschäftsführer auf dem Fahrrad. Das ist eine gute Publicity, kommt immer gut an. PKW fahren ist eigentlich out.

Und außer dem Stadtradeln?

Neumann Die Infrastruktur wird verbessert. Das ist ja auch ein politisches Ziel. Es sollen Netzlücken geschlossen werden und das ohnehin schon gute Meerbuscher Fahrradnetz soll optimiert werden. Das ist auch Voraussetzung für eine Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen, die Meerbusch anstrebt.

Tun die Politiker im Stadtrat genug für den Klimaschutz?

Neumann Für Radwege setzt sich die Politik quer durch alle Parteien ein. Das ist ganz großes Thema die letzten drei Jahre in den Ausschüssen, deshalb ist das auch bei jedem angekommen. Wir sind zufrieden mit der Arbeit der Politik, was den Klimaschutz betrifft.

Was sagen Sie denn dazu, dass in Meerbusch doch sehr viele Familien SUVs fahren?

Neumann Ja, das ist mir aufgefallen, als ich hierher kam. Das scheint eine Eigenart von Meerbusch zu sein. Gut finde ich es natürlich nicht. Ich weiß nicht, warum man mit so einem großen Schiff durch die Gegend fahren muss, die Straßen sind ja hier auch nicht unglaublich breit und die Parkplätze sind auch nicht für solche Autos gemacht und werden sich auch hoffentlich niemals solchen Autos anpassen. Ich denke, wenn die Leute schon nicht Fahrrad fahren wollen, dann könnten sie wenigstens auf Elektroautos umsteigen. Das wär schon mal besser und da gibt es auch ganz schicke Modelle.

Nicht nur der Verkehr belastet das Klima...

Neumann Ein ganz wichtiger Punkt sind neben dem Verkehr die Haushalte. Die sind der nächste große Sektor mit 40 Prozent, die CO2 emittieren. Deswegen arbeiten wir zurzeit auch an einer Projektskizze mit Maßnahmen, wie wir Haushalte informieren können. Das soll ab 2016 gezielt in Angriff genommen werden. Das muss natürlich von der Politik alles abgesegnet werden. Jetzt zurzeit wird das als Maßnahme vorbereitet.

Was können Haushalte tun, um den CO2-Ausstoß zu mindern?

Neumann Energie sparen! Vor allem bei der Wärmeproduktion. Alte Häuser sollten energetisch saniert werden. Neue Fenster oder zumindest das Dach dämmen. Oder man ändert die komplette Wärmeerzeugungstechnologie hin zu erneuerbaren Energien wie Solarenergie oder Blockheizkraftwerken. Wärmepumpen sind auch noch ein ganz großes Thema, das wir anregen wollen. Meerbusch ist prädestiniert für Erdwärmepumpen durch die Lage am Rhein.

Wann werden Sie die nächste CO2-Bilanz für Meerbusch erstellen?

Neumann Die mache ich dieses Jahr noch, aber die ist dann für 2011 und 2012. Die aktuellen Daten stehen so schnell nicht zur Verfügung.

Wie schädlich ist der Flugverkehr über Meerbusch?

Neumann Der Anteil der Luftbelastung durch den Flugverkehr am Boden ist gering, da der Schadstoffausstoß in großer Höhe erfolgt. Die Klimarelevanz spielt sich in den oberen Schichten der Atmosphäre ab. Am Boden ist der Flugverkehr eher mit großer Lärmbelästigung verbunden.

Was kann jeder Einzelne tun, um etwas zum Klimaschutz beizutragen?

Neumann Alle kurzen Wege bis zu sieben Kilometern mit dem Fahrrad fahren. Brötchen holen mit dem Auto ist total out. Das machen ja leider noch sehr viele. Zu Hause Energie sparen. Einfach mal das Licht ausmachen, wenn man raus geht oder mal gucken, wie alt der Kühlschrank ist. Wenn man heizt, das Fenster zumachen. Das sind Dinge, die eigentlich jeder weiß, die aber nur wenige umsetzen. Oder Flugreisen oder Kreuzfahrten - das ist alles sehr sehr umweltschädlich. Wenn man Dinge entsorgt: überlegen, ob man die Sachen nicht verschenken kann. Abfallvermeidung ist auch eine Art des Klimaschutzes.

Wie sensibilisieren Sie die Jugend für das Thema?

Neumann Wir würden gerne zum Thema Klimaschutz wieder enger mit den Schulen zusammenarbeiten. Wir sind immer froh und dankbar, wenn die Schulen sich bei uns melden und wir dann etwas mit denen zusammen machen. Ich glaube aber, dass die Generation Schule sowieso ein sehr starkes Umweltbewusstsein hat.

Was macht das Klima kaputt, ohne dass man direkt daran denkt?

Neumann Herstellungsprozesse für viele Produkte. Das ist den Leuten so nicht bewusst. Durch die Produktherstellung gibt es Energieverbräuche. Wenn die zu hoch sind, dann entstehen durch Verbrennungsprozesse CO2 und das ist eben klimaschädlich.

Was ist mit dem Verzehr von Fleisch?

Neumann Ja, das natürlich auch. Aber wir wollen niemandem vorschreiben, was er zu essen hat. In diesem Bereich wollen wir als Stadt keine Empfehlung aussprechen. Also, die Öko-Bilanzen von einer Kuh kenn ich natürlich auch, natürlich wird da viel Methan produziert. Aber ich glaube, derjenige, der Fleisch isst, würde eher auf sein Auto verzichten, als auf sein Fleisch.

Was gönnt sich denn eine Klimaschutzbeauftragte als Umweltsünde?

Neumann Ich würde sagen, ein Salamibrot. (lacht) Natürlich fliege ich auch in den Urlaub, aber wenn überhaupt, dann auch nur einmal im Jahr und mit schlechtem Gewissen.

CAROLIN SKIBA FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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