Albert Güllmann "Bezahlbare altengerechte Wohnungen fehlen"

Meerbusch · Der Vorsitzende des Seniorenbeirates vertritt die gut 13 000 Meerbuscher, die älter als 65 Jahre sind. Im Interview spricht der 76-Jährige über Wohnungsnot von Senioren, seinen Draht zur Bürgermeisterin — und darüber, was ihn im Alter fit hält

Albert Güllmann: "Bezahlbare altengerechte Wohnungen fehlen"
Foto: Stadt Meerbusch

Sie sind 76 Jahre alt, sehen aber aus wie 56. Wie machen Sie das?

Güllmann Oh, danke. Die Arbeit hält mich geistig fit. Ich mache das seit 15 Jahren sehr gerne. Ab 65 gilt man automatisch als Senior, ich bin also ganz klar einer, aber ich fühle mich nicht so.

Herr Güllmann, niemand kennt die Bedürfnisse der Meerbuscher Senioren besser als Sie. Was brennt ihnen gerade besonders auf den Nägeln?

Güllmann Bezahlbare altengerechte Wohnungen! In Meerbusch gibt es nicht nur reiche Menschen. Ich hatte jetzt den Fall, dass eine Frau nach dem Tod ihres Mannes verzweifelt versucht, eine kleine und vor allem bezahlbare Wohnung zu finden. Es wird ja gebaut, zurzeit in Lank an der Gonellastraße. Aber das nennt sich "Seniorenresidenz", das ist für Leute mit Geld.

Was sagen Sie einer Frau mit kleiner Rente? Wie helfen Sie?

Güllmann Wir dürfen nur vermitteln, keine Beratung anbieten. Ich frage bei Wohnungsbaugesellschaften nach, weise auf Zeitungsannoncen hin. Oder sie muss einen Makler einschalten, aber das kostet ja zusätzlich Geld. Es gibt keine stadteigene Wohnungsbaugesellschaft, das wäre eine Idee. Ich bin beratendes Mitglied im Sozial- und im Planungsausschuss, damit ich frühzeitig mitreden kann, bevor gebaut wird. Wir haben keine rechtliche Handhabe, wir können immer nur reden und sagen: Bitte, denkt auch an ärmere Menschen.

Hat sich Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert? Senioren sind ja heute fitter und aktiver denn je.

Güllmann In Meerbusch gibt es viele Angebote. Die Stadt ist beweglicher geworden, die Kirchen machen viel, auch Arbeiterwohlfahrt und Caritas sind sehr aktiv. Es gibt viele extra Sportangebote für Senioren, Reisen, Tagesfahrten. Mit Volleyball und Gymnastik sind wir hier gut bedient.

Gehen Sie auch raus? Machen Sie Reklame für den Seniorenbeirat?

Güllmann Ja sicher. Ich bleibe nicht nur im Büro sitzen. Ich bin oft unterwegs, frage in Altenklubs nach, ob Wünsche bestehen. Wir halten unsere Sitzungen bewusst in den Altenheimen ab, immer in einem anderen Ortsteil, damit die Leute sehen, wir sind präsent. Wir sind auch überregional aktiv, haben Kontakt mit anderen Städten, schauen uns an, wie die arbeiten. Wir wollen ja nicht nur im eigenen Saft schmoren.

Mit welchen Fragen kommen die Leute zu Ihnen?

Güllmann Das kann etwas ganz Banales sein, zum Beispiel der Hinweis auf fehlende Bänke. Oder die dringende Nachfrage nach einer Hundewiese in Büderich, die zentral liegt und leicht erreichbar ist. Auch gab es die Idee, Urnenwände, sogenannte Kolumbarien, auf den Friedhöfen einzurichten. Wir geben solche Fragen an die Stadt weiter.

Also müssen Sie sehr diplomatisch sein.

Güllmann Ja, ich habe einen guten Draht zu Politik und Verwaltung. Ich komme gut mit der Bürgermeisterin klar. Ich hatte aber auch ein enges Verhältnis zu Dieter Spindler.

Sie dürfen vermitteln, Fragen weiterleiten, das war's. Hatten Sie nie den Gedanken: Ich gehe in die Politik, da kann ich aktiv was bewegen und entscheiden?

Güllmann (lacht) Nein, nie. Ich bewege ja durchaus etwas. Zum Beispiel gibt es zu wenig Bänke am Osterather Bahnübergang. Ich habe den Wunsch nach einer zusätzlichen Bank weitergeleitet ans Grünflächenamt. Die Bank kommt.

Womit sind Sie denn schon mal gescheitert?

Güllmann Natürlich, nicht jeder Wunsch kann erfüllt werden. Ich versuche seit langem verzweifelt, dass ein Augenarzt nach Lank und Osterath kommt. Allerdings wurde der Wunsch von der Ärztekammer abgelehnt, es gebe keinen Arzt, der sich in den beiden Orten niederlassen möchte. Jetzt wendet sich die Stadt an die Ärztekammer.

Was machen Sie, wenn Sie auch mit Ihrem Ehrenamt "in Rente gehen"?

Güllmann Ich möchte gerne in den Seniorenheimen als Ehrenamtler arbeiten. Die Leute zu Spaziergängen begleiten, beim Einkaufen helfen, hinsetzen und mit den Menschen sprechen, vorlesen oder einfach nur zuhören. Ich weiß, in den Heimen besteht enormer Bedarf.

EUGENIA KINDEL FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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