Meerbusch "Das Eismobil ist meine Wohnung auf Rädern"

Meerbusch · Salvatore Fregapane verkauft seit 37 Jahren Eis auf den Meerbuscher Straßen — für den Sizilianer ein Traumjob

 Mit seinem roten Eiswagen ist Salvatore Fregapane von März bis November in Meerbusch unterwegs, teilweise bis zu zwölf Stunden pro Tag.

Mit seinem roten Eiswagen ist Salvatore Fregapane von März bis November in Meerbusch unterwegs, teilweise bis zu zwölf Stunden pro Tag.

Foto: Romahn

Im Schritttempo lenkt Salvatore Fregapane seinen VW-Transporter in die kleine Seitenstraße am Laacher Weg. Was jetzt kommt, ist das Wichtigste in seinem Job - auf sich aufmerksam machen. Also: Fenster runterkurbeln, die Handglocke kräftig schwingen und laute Musik anmachen. Jungs, die auf der Straße Fußball spielen, halten plötzlich inne, drehen sich um und bekommen große Augen. Mütter werden von ihren Kindern, die sich gerade noch auf dem Spielplatz ausgetobt haben, zum schnellen Handeln animiert. Selbst die Senioren, die ihren gemütlichen Mittagsspaziergang machen, laufen plötzlich im Stechschritt. Und warum die Eile? Weil jeder auf der Straße weiß: Der Eismann ist da.

Salvatore Fregapane verkauft seit gut 37 Jahren Eis in Meerbusch und den umliegenden Städten. 1962 kam er mit seiner Frau Rosetta nach Deutschland. In seiner Heimat Sizilien arbeitete er jahrelang zunächst auf Baustellen, später im Eisenwerk und in einer Goldschmiede. "Nach Deutschland wollte ich, um eine schöne neue Arbeit zu finden, die mir mehr Spaß macht", sagt Fregapane "und, um selbstständig zu sein." Heute sagt der Italiener: "Mein Wunsch hat sich erfüllt."

 Auf der Straße bietet der Eismann 22 Sorten nach eigenem Rezept an. Ein freundliches Lächeln und eine kleine Unterhaltung gibt's gratis dazu.

Auf der Straße bietet der Eismann 22 Sorten nach eigenem Rezept an. Ein freundliches Lächeln und eine kleine Unterhaltung gibt's gratis dazu.

Foto: Achim Hüskes

In der Eissaison von März bis November ist er sieben Tage in der Woche auf der Straße unterwegs. Und das bis zu zwölf Stunden pro Tag. Einfache Formel: "Von zehn bis zehn." Daher hat er in seinem Job bereits viel Erfahrung und Routine. "Jeden Morgen stehe ich um 7 Uhr auf", erklärt der 71-Jährige. "Meine Frau bereitet in dieser Zeit schon das Eis in unserem Labor vor. Ohne sie würde ich das alles gar nicht schaffen. Auch meine beiden Kinder helfen mir neben ihrem eigenen Job, wo sie nur können." Nachdem Fregapane die rund 100 Liter Eis - insgesamt 22 Sorten, hergestellt nach geheimen Familienrezepten - im Transporter verstaut hat, geht es raus auf die Straße. "Das liebe ich so an meiner Arbeit", sagt der Eismann. "Ich bin immer draußen und habe viel Kontakt mit Menschen. Mein Eismobil ist meine Wohnung auf Rädern." Aber Fregapane hat auch ein richtiges Zuhause, direkt neben seinem Neusser Eiscafé, in das er nach Feierabend zurückkehrt. Doch vorher muss noch alles sauber gemacht und für den nächsten Tag vorbereitet werden. Dann gibt's Abendessen, mitten in der Nacht.

Als Eismann muss man schnell arbeiten. Sobald Jung und Alt von Glocke, Musik und der der großen Aufschrift auf dem Transporter angelockt wurden, stellt Salvatore Fregapane den Motor ab, bindet sich seine Schürze um und klettert in den hinteren Teil des Wagens. Dann klappt er seine große Eistheke aus - ein Arbeitsplatz, der viel über ihn aussagt. Die rechte Thekenwand ist verziert mit Fußball-Aufklebern, alle Spieler der italienischen und deutschen Nationalmannschaft. "Ich bin Fan von beiden Teams", sagt Fregapane. Deshalb hat ihm der Ausgang der Weltmeisterschaft sehr gefallen. "Der Bessere hat gewonnen", sagt er. Übrigens: Auf dem Armaturenbrett des Transporters prangt das Schalke-Logo. Der Eismann kennt sich auch in der Bundesliga aus. Natürlich hat Fregapane im Laufe der Jahre viele Stammkunden gewinnen können. Die vielen Geschenke seiner treuen Eisesser, etwa kleine Fußbälle, Kuscheltiere oder der kleine Stofffisch, den er passend zu seinem Sternzeichen bekommen hat, hängen allesamt an einem gut sichtbaren Platz im Eismobil - sympathisch und verspielt soll es aussehen. "Meine Kunden sollen sehen, wer ich bin und was mir gefällt", erklärt der Eismann.

Sein erster Kunde ist ein Arbeiter von der Baustelle nebenan - zwei Kugeln Nuss und eine Kugel Schoko im Hörnchen. "Diese Eiswagen sind perfekt für unseren Job", freut sich der Kunde. "Die fahren uns quasi hinterher, so dass wir immer irgendwie an unser Eis kommen. Und es schmeckt natürlich besser als das Eis am Stiel." Dann sind die beiden jungen Straßenfußballer Baumung (9) und Solovef (10) an der Reihe - jeweils eine Kugel Stracciatella. "Der Eismann kommt jeden Tag hier hin", freut sich Baumung. "Wir können gar nicht mehr ohne." Auf die Frage, warum die Ware vom Wagen die Beste ist, hat sein Kumpel eine sehr erwachsene Antwort parat. "Weil das Preis-Leistungsverhältnis einfach stimmt", sagt der Zehnjährige.

Weiter geht es mit dem Senioren und seinem üppigen Schokobecher, dem Beamten, der sich auf dem Weg ins Büro mit einer Kugel Zitrone erfrischen möchte und der jungen Dame, die nicht nur ein Eishörnchen, sondern auch das eine oder andere Kompliment mit auf den Weg bekommt - ein bisschen vom italienischen Charme, das gehört bei Salvatore Fregapane zum Kundenservice.

Welche Sorten sind besonders gefragt? "Unterschiedlich", meint Fregapane. "Das hängt vom Wetter ab. Die Deutschen lieben die klassischen Sorten, also Schokolade, Vanille, Erdbeere und Stracciatella. Wenn es sehr heiß ist, verkaufe ich aber auch oft Zitrone oder Melone. Das erfrischt." Einen eigenen Favoriten hat der Eismann natürlich auch: "Nuss, es gibt nichts besseres auf der Welt."

Seine Arbeit als Eisverkäufer möchte der 71-Jährige noch solange wie möglich machen - einerseits aus Leidenschaft, andererseits aber auch, um genug Geld zum Leben haben. "Das Einkommen und die Rente sind sehr klein", sagt Fregapane. Auch die Kosten, etwa für städtische Genehmigungen oder die Wartung und Reparatur seiner kleinen Eiswagen-Flotte aus fünf Transportern, fallen ins Gewicht. "Deshalb muss ich wohl noch lange arbeiten. Aber ich bin Optimist. Eis wollen die Leute immer."

Und weil das Geschäft mit der Süßspeise im Sommer so gut läuft, gibt es viel Konkurrenz - was nicht immer einfach ist. "Manchmal tauchen mehrere Eiswagen an einer Stelle auf", sagt Fregapane. "Meistens versucht man sich aus dem Weg zu gehen, aber manchmal gibt es auch Streit." Auch wenn es immer mehr Eiswagen auf den Straßen, am Rhein und vor den Schulen gibt, bleibt der Italiener freundlich zu seinen Kollegen. "Die müssen auch von etwas leben und arbeiten genauso hart", sagt er. "Wir versuchen alle, über die Runden zu kommen."

(RP)
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