Meerbusch Die GIs und eine Wanne voll Rotwein

Meerbusch · Nach dem Einmarsch der amerikanischen Soldaten waren viele überrascht über die Hilfsbereitschaft der GIs

 Zwei US-amerikanische Soldaten halten Wache an einem Kontrollpunkt an der heutigen B7.

Zwei US-amerikanische Soldaten halten Wache an einem Kontrollpunkt an der heutigen B7.

Foto: New York Public Library

Wie aus dem Nichts tauchten sie auf, nahezu lautlos. Erst ein Blick auf die Stiefel der amerikanischen Soldaten löste für die Menschen im heutigen Meerbusch das Rätsel, warum sie die GIs nicht hatten kommen hören: Ihre Stiefel hatten Gummisohlen - im Gegensatz zu den mit Nägeln beschlagenen Ledersohlen der deutschen Wehrmachtsstiefel.

Mit Sorge hatten die Menschen in Büderich, Osterath, Lank und den anderen Ortschaften dem ersten Kontakt mit den Alliierten entgegengesehen - viele waren erstaunt darüber, wie nett die US-Soldaten waren. Besonders zu Kindern und Frauen. "Wir Kinder bekamen Schokolade", erinnert sich Ingrid Kuntze, damals zehn Jahre alt. Kinder, die im Krieg geboren wurden, wussten mit den Geschenken oft nichts so recht anzufangen: Apfelsinen und Schokolade hatten sie noch nie zuvor gesehen.

Helmut Müller, der damals 15 Jahre alt war, wurde von einem GI gefragt, ob er ein "Naziboy" sei und ob er auch einen HJ-Dolch habe. Als er dies bejahte, wollte der GI den Dolch gern als Souvenir haben - im Tausch für einen Beutel Bohnenkaffee.

Marie-Sophie Aust berichtet in einem Beitrag für die "Meerbuscher Geschichtshefte" von zahlreichen Fällen außergewöhnlicher Hilfsbereitschaft der Amerikaner: "Als am 9. März in der Unterkunft der Familie Kremer ein krankes Kind hohes Fieber hatte, ... kam der amerikanische Truppenarzt und versorgte das Kind." Ein paar der Soldaten hatten deutsche Wurzeln. So stammte ein GI, der in Schweinheim stationiert war, ursprünglich aus Viersen - er war mit seinen Eltern in die USA ausgewandert.

Neben den zumeist positiven Erlebnissen gab es aber auch negative. So wirkte der Anblick deutscher Soldaten, die mit dem Gesicht zur Wand und erhobenen Händen, stundenlang, in Osterath, ausharren mussten, während ein bewaffneter US-Soldat hinter ihnen auf den Stufen des Postamts mit einer angelegten Maschinenpistole Wache hielt, für viele Bewohner abschreckend. In Strümp wurden drei Mädchen fast Opfer eines Übergriffes: Vier betrunkene Soldaten kamen mit Schnapsflaschen in den Händen in das Elternhaus von Elisabeth Kerp, geborene Cames. "Und einer Flasche Essig, in der Annahme, es sei Alkohol", erinnerte sie sich. Das Ziel der Soldaten: die Töchter des Hauses. Die versteckten sich im Badezimmer. Aus Angst, dass sich das in den Folgenächten wiederholen würde, stellte die Familie einen großen Kleiderschrank vor die Tür des Schlafzimmers. Kerp notierte in ihrem Tagebuch: "Die Hinterwand des Schrankes wurde gelöst und mit einem Riegel versehen. So stiegen wir durch den Kleiderschrank ins Zimmer."

Die wohl skurrilste Begebenheit ereignete sich in Osterath. Nachdem ein Wohnhaus von GIs als Militärlazarett verwendet wurde, fanden die Bewohner bei ihrer Wiederkehr die Badewanne mit Rotwein gefüllt vor. Die Entsorgung war schwierig, Exkremente verstopften den Abfluss.

Unsere Serie setzen wir in der Freitagsausgabe fort.

(RP)
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