Jochen Homann "Konverterstandort ist noch völlig offen"

Meerbusch · Der Präsident der Bundesnetzagentur betont, nur weil das Umspannwerk Osterath als Netzverknüpfungspunkt im Bundesbedarfsplangesetz steht, heiße das nicht, dass der Konverter zwingend dort errichtet werden muss.

 Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, im Interview mit der RP. Einer Verfassungsbeschwerde der Stadt Meerbusch gegen den geplanten Konverter sieht er "gelassen" entgegen.

Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, im Interview mit der RP. Einer Verfassungsbeschwerde der Stadt Meerbusch gegen den geplanten Konverter sieht er "gelassen" entgegen.

Foto: Ulli Dackweiler

Herr Homann, als Präsident der Bundesnetzagentur ist einer Ihrer Jobs, die Voraussetzung für eine gelungene Energiewende zu schaffen: den Stromnetzausbau. Haben Sie eigentlich selbst zu Hause einen Ökostrom-Tarif?

Homann Ich habe einen ganz normalen Stromtarif, also ein Gemisch aus verschiedenen Stromarten.

2300 der 3300 Einwendungen gegen den Netzentwicklungsplan kamen im vergangenen Jahr aus Osterath. Bekommen Sie Magenschmerzen, wenn Sie das Wort "Osterath" hören?

Homann Nein, gar nicht. Die Situation hat sich ja im Kern nicht verändert. Wir haben immer gesagt, dass ein Konverter notwendig ist. Aber auch, dass noch völlig offen ist, wo dieser stehen wird. Nur weil das Umspannwerk Osterath als Netzverknüpfungspunkt im Bundesbedarfsplangesetz steht, heißt das nicht, dass der Konverter zwingend dort errichtet werden muss. Man kann den Konverter auch an einem anderen Standort errichten und mit einer Stichleitung anschließen. Wir sind mit der Bürgerinitiative und den Kommunalvertretern in engem Kontakt — das nächste Gespräch mit der Bürgerinitiative wird am 12. November stattfinden. Für uns als Bundesnetzagentur gilt nach wie vor: Wir übernehmen nicht einfach, was uns die Netzbetreiber vorlegen. Wir schauen uns deren Planungen sorgfältig an und überprüfen diese. Dafür sind wir da.

In einem Punkt aber haben Sie exakt das übernommen, was der Netzbetreiber Ihnen vorgelegt hat: den Netzverknüpfungspunkt Osterath. Ausschlaggebend waren allein technische Gesichtspunkte. Ohne jede Alternativenprüfung, ohne Beachtung der Auswirkungen auf die Umwelt oder das Schutzgut Mensch.

Homann Das ändert aber nichts daran, dass die kommende Umweltverträglichkeitsprüfung dieses einschließt. Wenn die zum Ergebnis kommt: Das geht nicht — dann geht es halt nicht. Aber noch einmal: Netzverknüpfungspunkt Osterath heißt nicht, dass auch der Konverter in Osterath gebaut werden muss. Es ist aber sinnvoll, ein vorhandenes Umspannwerk zu nutzen, statt im schlimmsten Fall noch ein zweites zu bauen.

Die Sorge der Osterather ist ja nachvollziehbar — schließlich hatte der Netzbetreiber Amprion den gigantischsten Stromkonverter in der EU mit bis zu 20 Meter hohen Hallen lange als "Nebenanlage" verniedlicht...

Homann Diese Bezeichnung benutzen die Ingenieure in ihrer Fachsprache. Mir gefällt dieser Ausdruck auch nicht besonders. Mir ist Transparenz sehr wichtig. Dazu gehört auch eine verständliche Sprache. Denn nur, wenn es uns gelingt, die Bürger mitzunehmen, werden wir Klagen vermeiden können. Die kosten Zeit, und diese haben wir beim Stromnetzausbau nicht.

Die Stadt Meerbusch hat bereits Verfassungsbeschwerde eingereicht. Haben Sie Sorge, dass das Bundesverfassungsgericht Ihrem Zeitplan einen Strich durch die Rechnung machen wird?

Homann Ich bin da recht gelassen.

Kritiker sagen: Osterath ist ein Symbol dafür, wie die Energiewende nicht laufen darf: intransparent, unwirtschaftlich, kontraproduktiv.

Homann Unser Ziel ist es, die vom Netzausbau betroffenen Bürgerinnen und Bürger so früh und so umfassend wie möglich zu informieren und einzubinden. Das gilt auch für Osterath. Wie bereits gesagt: wir stehen im engen Kontakt mit der Bürgerinitiative und suchen das Gespräch, um möglichst umfassend aufzuklären und die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Professor Christian von Hirschhausen ist Forschungsdirektor Industrieökonomie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Er sagt, die Stromautobahn begünstige Kohlestrom. Ist der Mann ein Scharlatan?

Homann Ich habe bei RP-Online auch gelesen, dass ein kluger Professor aus der Ferne festgestellt hat, die geplante Stromautobahn zwischen Emden und Philippsburg durch Osterath sei überflüssig. Er möge sich einmal die Stromtrasse anschauen. Die nahezu verlustfreie Gleichstromleitung beginnt in Emden, und mir ist nicht bekannt, dass dort Offshore-Kohlekraftwerke entstehen (schmunzelt), deren Strom eingespeist wird. Schon von daher finde ich die Einschätzung abwegig.

Nun wird der nördliche Teil der Trasse ja erst fertig, wenn das AKW Philippsburg längst abgeschaltet ist. Bis dahin könnte der Konverter doch den Braunkohlestrom einspeisen...

Homann Der südliche Teil der Stromautobahn wird voraussichtlich früher fertig, weil er in einer vorhandenen Trasse gebaut wird. Das geht natürlich schneller als der geplante Neubau des nördlichen Teils der Leitung. Und natürlich ist es sinnvoll, dass der Konverter zu Zeiten, in denen der Wind an der Nordseeküste nicht weht, Strom aus konventionellen Anlagen im Rhein-Ruhr-Gebiet auf die Stromautobahn schickt. Umgekehrt wird er auch dazu dienen, Strom aus erneuerbaren Energien ins Ruhrgebiet zu bringen.

Die Info-Veranstaltung zum Netzentwicklungsplan 2013 wurde groß beworben. Der Auftakt im vergangenen Jahr fand ohne entsprechende Ankündigungen statt...

Homann Wir lernen ständig dazu. Mir ist wichtig, dass wir dort vor Ort sind, wo die Menschen konkret betroffen sind. Wir werden eigene Teams für die drei geplanten Stromautobahnen bilden, so dass die Menschen in der Region klare Ansprechpartner bei uns haben. Zurzeit sind wir aber noch in einer sehr abstrakten Phase im Verfahren. Wir können keinem Bürger sagen, ob er von einer Stromleitung betroffen sein wird oder nicht, weil der Trassenverlauf ja noch gar nicht feststeht. Das wird in den nächsten Jahren konkreter, wenn die Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren stattfinden. Wir ahnen bereits, welch gewaltige Herausforderungen da auf uns zukommen.

Die Bundesnetzagentur ist dem Bundeswirtschaftsministerium angegliedert; die Amtszeit von Philip Rösler (FDP) geht zu Ende. Werden auch Sie als Präsident bald Ihren Hut nehmen müssen?

Homann Meine Aufgabe macht mir Spaß. Mein Vertrag läuft noch einige Jahre. Deswegen stellt sich diese Frage nicht.

MARTIN RÖSE UND THOMAS REISENER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH MEHR: WIRTSCHAFTE SEITE B1

(RP)
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