Meerbusch Flüchtlinge über den Sport integrieren

Meerbusch · In Bösinghoven können Asylbewerber das Angebot des Turn- und Sportvereins nutzen - kostenlos. Der Verein sieht sie als Gewinn

 Ayman (M.), Mohamad (3.v.r.) und Wassim (r.) nutzen den Lauftreff auch zum Kontakteknüpfen und Deutschlernen.

Ayman (M.), Mohamad (3.v.r.) und Wassim (r.) nutzen den Lauftreff auch zum Kontakteknüpfen und Deutschlernen.

Foto: Achim Hüskes

Die Kälte setzt Ayman, Wassim (beide 28) und Mohamad (35) gerade am meisten zu. Zwar ist es in ihrer Heimat Syrien derzeit 38 Grad warm, Aussicht sonnig. Die drei aber sind davon mehrere Tausend Kilometer entfernt. Sie stehen auf dem Parkplatz am Bösinghovener Turn- und Sportverein (TuS), reiben sich die Hände und treten auf der Stelle, um sich warm zu halten.

Die Männer wollen endlich loslaufen, mit dem Lauftreff des Sportvereins ihre übliche Runde drehen und den Kreislauf auf Touren bringen. Die Leiterin gibt das Signal zum Start. Es ist Dienstag Abend, 19 Uhr, das Thermometer zeigt sieben Grad.

Anfang des Jahres trafen sich die Bösinghovener Vereine und Institutionen an einem Runden Tisch und besprachen, wie die Integration von Flüchtlingen in ihrem Ortsteil am besten gelingen könnte. Eingebunden werden sollten sie, und bei der vielen Freizeit, die sie in dem fremden Land haben würden, vor allem beschäftigt, erinnert sich Hans-Dieter Schmitz, Leiter der Abteilung Laufen und Walken beim TuS. Für die syrischen Asylbewerber, die nun in den alten Räumen des Kindergartens "Kiga 71" untergebracht sind, steht der Sportverein deswegen offen. "Wer will, kann bei uns mitmachen", sagt Schmitz. Er sieht die Gastmitglieder als Gewinn. "Es sind gebildete und hochintelligente Männer, die sportlich sehr gut drauf sind", sagt er.

Diesen Einruck machen auch die drei syrischen Läufer. Neun Kilometer sind sie mit der Gruppe gelaufen, ihre Wangen sind gerötet, müde aber sehen sie nicht aus. Während sie sich neben dem Fußballfeld dehnen, unterhalten sie sich auf Syrisch, die drei Männer lachen viel und gerne. Vor der Flucht arbeitete Mohamad in einem Chemie-Konzern in Aleppo. Jetzt trägt er eine kurze Hose mit aufgedruckten Hawaii-Blumen an der Seite. Wassim war in Damaskus Betriebswirt in einem Bauunternehmen. In seiner Freizeit spielte er Fußball, in Bösinghoven aber möchte er lieber laufen. "Dabei kann man sich gut unterhalten und Deutsch lernen", sagt er grinsend.

In Syrien arbeitete Ayman als Pizzabäcker. Wie Mohamad ist er nach Arbeitsschluss in den Parks von Aleppo gejoggt. Drei Runden ergaben neun Kilometer. Sie haben die Schritte gezählt. Ayman trägt zum Laufen ein hellblaues Trikot mit der Nummer 30. SSV Strümp steht darüber. Es stammt aus einer Kleidersammel-Aktion des TuS. "Wir sind dankbar dafür, was die Menschen hier für uns tun", sagt Mohamad.

Die Kommunikation gelingt auf Englisch. Weiß einer nicht mehr weiter, springen die anderen ein. "Irgendwie klappt es immer", sagt Abteilungsleiter Schmitz. Laufbetreuerin Dagmar Hildebrand und die Gruppenmitglieder versuchen es auf Deutsch. Kurze Sätze gehen. Mit ihren Daumen signalisieren die Flüchtlinge Zustimmung.

Zwei der Asylbewerber im Kiga 71 spielen beim TuS Fußball, bis zu sechs nehmen wöchentlich am Lauftreff teil, einer hat sich für die Walking-Gruppe entschieden. Niemand von ihnen musste dafür Mitglied werden. Für Präsident Johannes Peters ist es vielmehr selbstverständlich, dass die syrischen Gäste, wie er sie nennt, am Sportangebot teilhaben können. "Ich habe nie gedacht, dass es ein Problem sein könnte", sagt er. Viele der Vereinsmitglieder, gerade im Fußball, haben einen Migrationshintergrund. "Als Verein muss man sich seiner Außenwirkung bewusst sein und sich vom Dorfdenken lösen", sagt Peters. "Ich hätte nichts dagegen, wenn noch viel mehr Flüchtlinge kommen würden."

Mit den drei syrischen Läufern ist Betreuerin Hildebrandt sehr zufrieden. "Zwei von ihnen können nächstes Mal in einer anspruchsvolleren Gruppe mitlaufen", sagt sie. Sie möchte sichergehen, dass Ayman, Wassim und Mohamad wiederkommen. "Nächsten Dienstag, 19 Uhr, seid Ihr wieder dabei?", fragt sie. Mohamad streckt beide Daumen hoch und lächelt breit. Er und die anderen beiden wollen für den Sommerlauf im Juli trainieren.

(RP)
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