Meerbusch Jedes achte i-Dötzchen hat Untergewicht

Meerbusch · Während andernorts vor allem über dicke Kinder gesprochen wird, liegt in Meerbusch das Problem woanders: Hier sind 12,6 Prozent der künftigen Erstklässler nach einer Ergebung des Kreisgesundheitsamtes zu dünn.

 Mit 12,6 Prozent untergewichtiger Kinder sei Meerbusch in dieser Kategorie nicht nur kreisweite Spitze, sondern liege auch deutlich über dem NRW-Schnitt von 10,8 Prozent.

Mit 12,6 Prozent untergewichtiger Kinder sei Meerbusch in dieser Kategorie nicht nur kreisweite Spitze, sondern liege auch deutlich über dem NRW-Schnitt von 10,8 Prozent.

Foto: RP/Radowski

Das Gesundheitsamt des Rhein-Kreises-Neuss schlägt Alarm. Die Schuleingangsuntersuchung, bei der insgesamt 495 Meerbuscher i-Dötzchen im Alter von fünf bis sechs Jahren auf körperliche und geistige Defizite untersucht wurden, ergab: Jedes achte Kind hat Untergewicht. "Das ist eine erschreckende Zahl", sagt Beate Klapdor-Volmar, Leiterin des Kinder- und Jugendärztlichen Gesundheitsdienstes des Kreisgesundheitsamtes. "Bislang haben wir die Ursachen dafür noch nicht ermitteln können, müssen jedoch dringend handeln." Mit 12,6 Prozent untergewichtiger Kinder sei Meerbusch in dieser Kategorie nicht nur kreisweite Spitze, sondern liege auch deutlich über dem NRW-Schnitt von 10,8 Prozent.

Von Oktober des vergangenen Jahres bis Juli hat das Kreisgesundheitsamt die Daten der künftigen Grundschüler erfasst. "Zweck der Untersuchung ist es, den körperlichen und geistigen Zustand der Kinder zu ermitteln", sagt Klapdor-Volmar. "Sollten wir Defizite finden, können wir die Eltern besser bei der Frage beraten, ob das Kind für den regulären Schulbetrieb, eine Grundschule mit Inklusionsschwerpunkt oder eine Förderschule geeignet ist." Dafür gehen die Mitarbeiter des Kinder- und Jugendärztlichen Gesundheitsdienstes zunächst in die jeweiligen Kitas und machen Hör- und Sehtests mit den Kindern. Anschließend werden beim Kinderarzt Größe, Gewicht und Herzwerte untersucht. Um das gesunde Gewicht eines Kindes einzustufen, werden zusätzliche Kriterien wie Alter, Größe und Geschlecht miteinbezogen. Klapdor-Volmar gibt ein Beispiel: Ein fünf Jahre altes Mädchen mit einer Größe von 1,25 Metern hat ein Normalgewicht von rund 25 Kilogramm. "Wir hatten Fälle, bei denen ein Gewicht von 14 Kilogramm festgestellt wurde. Das ist viel zu wenig", sagt Klapdor-Volmar, sei aber heutzutage keine Seltenheit mehr. Über mögliche Ursachen könne man nur spekulieren - mangelhafte Ernährung müsse jedoch nicht immer der Grund für Untergewicht sein. "Selbst in diesen jungen Jahren sind gerade die Mädchen zum Teil schon von Schönheitsidealen getrieben und wollen möglichst dünn sein", sagt Klapdor-Volmar. Dies sei jedoch nur eine Theorie. Um die Gründe für das Gewichtsproblem der Meerbuscher Kinder herauszufinden, sollen in einem Projekt des Kreisgesundheitsamtes mit der Uni Düsseldorf bald die Eltern zu den Essgewohnheiten ihrer Kinder befragt werden.

Auch Motorik, Sprache und Aufmerksamkeit wurden anhand praktischer Aufgaben überprüft. "Die Kinder bekommen beispielsweise eine Malvorlage", erklärt Klapdor-Volmar. "Damit sollen Hand-Augenkoordination und Feinmotorik auf die Probe gestellt werden." Auch die Wahrnehmung, genauer gesagt die Verarbeitung von Geräuschen und Bildern, sei ein entscheidender Faktor für die Schultauglichkeit. "Darüber hinaus geht es um ganz alltägliche Dinge", sagt Klapdor-Volmar. Kann das Kind sich zum Beispiel selbstständig anziehen? Weiß es mit Bleistift, Papier und Schere umzugehen? Kann es Farben, Formen und Größenunterschiede richtig einordnen?

Bei den Sprachuntersuchungen setzt sich der Negativtrend weiter fort: 30,6 Prozent der Meerbuscher i-Dötzchen haben Probleme, sich fehlerfrei auszudrücken. Ein Warnsignal für die Experten, wenn auch nicht so überraschend wie die Gewichtsprobleme. "Damit liegt Meerbusch im NRW-Schnitt und verzeichnet im Vergleich zur davorliegenden Untersuchung auch nur einen minimalen Anstieg", sagt Klapdor-Volmar. "Aber es bleibt beunruhigend, dass seit Jahren fast jedes dritte Kind Sprachprobleme hat." Ursachen für die schlechter werdende Kommunikationsfähigkeit der Kinder sei ein übertriebener Konsum elektronischer Medien, hauptsächlich Computer und TV, aber auch ein Familienalltag, in dem gegenseitiger Austausch keine große Rolle mehr spiele. Klapdor-Volmar: "Die Familien reden einfach zu wenig miteinander."

Zu den Resultaten der Schuleingangsuntersuchung wollte die Stadtverwaltung auf Nachfrage keine Stellung nehmen. "Inhaltlich können wir derzeit noch keine Aussagen dazu machen", sagte Alice Wiegand, Referentin der Bürgermeisterin. "Die Zahlen liegen uns noch nicht vor. Wir werden uns jedoch zeitnah mit dem Kreisgesundheitsamt in Verbindung setzen und uns einen Einblick verschaffen." Die Stadt werde den aktuellen Negativtrend nicht ignorieren. Wiegand: "Die Resultate müssen genauer betrachtet werden."

(RP)
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