Michael Regenbrecht Meerbuschs Geschichte-Sammler

Meerbusch · Der Stadtarchivar spricht über seine Arbeit, neugierige Bürger und das Archiv als Schatztruhe.

 Stadtarchivar Michael Regenbrecht: "Es ist nicht so, dass man als Archivar zum Eigenbrötler wird."

Stadtarchivar Michael Regenbrecht: "Es ist nicht so, dass man als Archivar zum Eigenbrötler wird."

Foto: Ulli Dackweiler

Herr Regenbrecht, um wie viel Akten ist das Stadtarchiv am heutigen Tag gewachsen?

Michael Regenbrecht Um 27 Kisten mit je drei Ordnern Personalzahlungsunterlagen der Stadt. Doch diese Menge kommt natürlich nicht jeden Tag. Zudem muss ein Stadtarchivar Material selektieren, nicht nur erhalten.

Wir wird man Stadtarchivar Meerbuschs?

Regenbrecht Schon im Studium faszinierte mich Stadtgeschichte. Es ist wie bei einem Brennglas. Sämtliche politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme auf nationaler oder internationaler Ebene fokussieren sich im Kleinen. Für Menschen ist die Stadt unmittelbares Lebensumfeld. Ich habe Geschichts-, Sozial- und Erziehungswissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal studiert, danach in der universitären Forschung und Lehre und im Landtag gearbeitet. Das Archivwesen entdeckte ich in den 1990er. Mai 2000 startete ich im Meerbuscher Archiv.

Was gefällt Ihnen an der Arbeit?

Regenbrecht Ich kann jeden Tag anders gestalten, mich anderen Materialtypen zuwenden: heute Fotos, morgen Verwaltungsakten, übermorgen Karten. Und mir gefällt der Kontakt mit Menschen. Zum Beispiel mit denen, die Dokumente überlassen oder denen ich helfe, eine Fragestellung zu lösen. Es ist nicht so, dass man als Archivar zum Eigenbrötler wird.

Was möchten Meerbuscher über ihre Heimat wissen?

Regenbrecht Sie interessieren sich für die Geschichte von Straßen, Höfen, des eigenen Hauses oder dafür, wie man Fotos aufbewahrt. Ahnenforscher fragen nach Personenstands- und Meldeunterlagen sowie Totenzetteln.

Recherchieren die Bürger im Archiv?

Regenbrecht Sehr viele. Die Zahlen haben sich auf einem hohen Wert eingependelt. 221 Besucher waren es im Jahr 2000, letztes Jahr 1.021.

Woran könnte das liegen?

Regenbrecht Zum einen an der Kunden- und Serviceorientiertheit des Archivs, zum anderen an der intensivierten Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. Wir arbeiten mit der Presse und mit Vereinen zusammen, bieten Praktika für Schüler und Studenten an, laden zu Vorträgen und Ausstellungen.

Das Archiv gibt es seit 1971...

Regenbrecht Die Gründer Meerbuschs waren sich bewusst, dass sie ein künstliches Projekt waren. Die Vorgängergemeinden schlossen sich zusammen, um von den großen Nachbarn nicht gefressen zu werden. Das Archiv sollte beitragen, eine Identität für die junge Stadt aufzubauen. Diese Funktion hat es noch heute. Es ist historisches Gedächtnis und Schatztruhe, die das städtische Leben dokumentiert - möglichst lückenlos und mit singulärer Originalität.

Welche anderen Leistungen erbringt das Archiv?

Regenbrecht Wir bearbeiten Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten sowie Nachlass- und Rentenangelegenheiten, da nur das Archiv die jeweiligen Unterlagen hat. Der Lichtbildabgleich nimmt ab, da die Passunterlagen den Bürgerbüros seit 2007 digital vorliegen.

Wie digital ist das Stadtarchiv?

Regenbrecht Momentan digitalisieren wir Personenstandsakten. Wir arbeiten den Bestand in Einzelprojekten ab. Die Originale verbleiben natürlich im Archiv.

Wieso diese Sammelwut? Ein Ratsprotokoll von heute wird in 15 Jahren doch nicht in der Vitrine ausgestellt...

Regenbrecht Das würde ich auch nicht tun. Nur nehmen wir die Gründungsurkunde vom Kloster Meer. Ich würde das Original stets dem Digitalen vorziehen. Es hat eine ganz andere Wirkung.

In 50 Jahren zählt dieser Unterschied wohl kaum noch...

Regenbrecht Das befürchte ich.

Wie gut ist das Archiv aufgestellt?

Regenbrecht Mit einem Sachhaushalt von 5.000 Euro jährlich kommen wir gut aus. Ich würde aber gerne einen Förderverein anregen. Zum Personal: Mit mir sind es eineinhalb Stellen. Gerade wegen der vielen Aufgaben wäre es erstrebenswert, aus der halben wieder eine ganze Stelle zu machen.

Auch zur Entlastung? Sie sind schließlich im Februar 62 Jahre geworden.

Regenbrecht Ich fühle mich keineswegs ausgepumpt. Wenn die Stadt einverstanden ist, könnte ich mir vorstellen, nach Rentenbeginn weiter zu arbeiten.

MAIKE BILLEN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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