Meerbusch "Plötzlich denkt man an Gott"

Düsseldorf · Wolfgang Rohde verunglückte im Mai 2000 und lag schwer verletzt zwei Tage lang im Koma: Im Krankenbett und in langwieriger Reha hatte der prominente Musiker Zeit, über sich und seine Leben nachzudenken.

Den 20. Mai 2000 wird Wolfgang Rohde niemals vergessen. Der damals 50 Jahre alte Lank-Latumer prallte auf einer Straße in Mönchengladbach mit seinem BMW frontal in ein entgegenkommendes Auto. Der Schlagzeuger der Toten Hosen kam schwer verletzt ins Krankenhaus. Kaum ein Knochen auf der rechten Körperseite war heil geblieben. Zwei Tage lang lag der gebürtige Kieler im Koma. "Zurück ins Leben zu kommen, das war schrecklich", erzählt er. Als die künstliche Beatmung abgeschaltet worden sei, habe er geradezu panisch reagiert und geröchelt. Todessehnsüchte kannte er aber auch in diesem Moment nicht. Er wollte leben.

Für Rohde war es Antrieb und Motivation, "den Arsch noch nicht zuzukneifen", dass hunderte Zuschriften von Fans der Toten Hosen bei ihm eingegangen sind und die Freunde am Krankenbett ausgeharrt haben. "Ich wollte ganz bewusst nie heiraten, aber in einer solchen Krise denkst du schon daran, was wäre eigentlich mit deinen Liebsten, wenn du selbst nicht mehr da wärst."

Die Verantwortung für seine beiden Söhne sei ihm in noch viel stärkerem Maße als zuvor bewusst geworden, sagt der Meerbuscher. "Du blickst zurück und fragst, wie war dein Leben, und wie hast du dich verhalten", sagt der prominente Musiker, für den der schwere Verkehrsunfall auch das Ende seiner sehr erfolgreichen Karriere mit Campino und Co bedeutete.

Rohde hat sich nach dem Unfall 18 Monate lang viermal in der Woche mit einem persönlichen Trainer gequält, um wieder weitestgehend fit zu werden und gehen zu können. "Es gab so viel liebenswerten Zuspruch, dass sich die Anstrengung gelohnt hat", meint der 59-Jährige. Freunde und Familie hätten für ihn jetzt eine ganz andere Bedeutung. "Mir ist aber auch klar geworden, in welch privilegierter Lage ich mich befunden habe. Ohne existenzielle Sorgen konnte ich mich ganz auf meine Genesung konzentrieren", sagt er. Zunächst eher unbewusst sei in ihm die Absicht gereift, von seinem Glück etwas weiterzugeben. "Zwei Stunden am Stück unter Profi-Bedingungen vor bis zu 80 000 Leuten Schlagzeug spielen, das war gesundheitlich nicht mehr drin", sagt Rohde. Aber sich für den Nachwuchs engagieren, helfen, wo es möglich ist, und sich auch selbst etwas beweisen, das mache ihm Spaß.

Über die Frage, was wäre, wenn es keinen Unfall gegeben hätte, mache er sich keine Gedanken. "Ich lebe im Hier und Jetzt. Aber an der Schwelle zum Tod, da denkst du unweigerlich auch an Gott", berichtet Rohde. Irgendwie sei er dankbarer als früher, freue sich an der Natur, am Sonnenschein, über seine Kinder und mit seinen Freunden. Und trotz des Erlebten und Erlittenen – manchmal ist die Zeit auch nur Alltag, und die Kleinigkeiten geben Anlass, sich zu ärgern. Sein Glück wird ihm dann wieder spontan klar, wenn der fast 40 Zentimeter lange Nagel im Oberschenkel es ihm schmerzhaft bewusst macht – er lebt gerade sein zweites Leben.

(RP)
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