Meerbusch Segelflugzeuge, made in Osterath

Meerbusch · Seit fast vier Jahrzehnten entwickelt und baut der Osterather Volker Klemm Hightech-Modellsegelflugzeuge. Seine Kundschaft kommt aus der ganzen Welt, die auch an Wettkämpfen teilnimmt. Das teuerste Flugzeug kostet 5000 Euro.

 Volker Klemm in seinem heimischen Garten mit dem Flugzeugmodell vom Typ FS 4000 VXL Elektro.

Volker Klemm in seinem heimischen Garten mit dem Flugzeugmodell vom Typ FS 4000 VXL Elektro.

Foto: Anne Orthen

Wenn jemand die Bezeichnung "Tüftler" verdient hat, dann Volker Klemm (62). Der Osterather baut nicht nur seit Jahrzehnten Modellsegelflugzeuge für Hobbyflieger, sondern auch alles dazu gehörige Zubehör wie Transporttaschen oder Werkzeug. Dabei hat er sich über all die Jahre einen solchen Namen in der Szene gemacht, dass Bestellungen für neue Modellflugzeuge nur noch nach Warteliste abgearbeitet werden. "Wer jetzt bestellt, bekommt sein Flugzeug frühestens in vier bis fünf Jahren."

Angefangen hat alles, als der kleine Volker acht Jahre alt war. "Schon damals hat mich alles fasziniert, was sich in der Luft bewegt hat." Die ersten Drachen entstanden, wurden dem Jungen aber schnell langweilig. So ganz nebenbei entwickelte sich Volker Klemm zum Tennis-As, spielte hochklassig, unterrichtete den Sport schon, bevor Boris Becker der Branche Auftrieb verschaffte. Klemm gründete eine Tennisschule - und im Rückblick klingt es so, als hätte ganz Meerbusch bei ihm gelernt, den Schläger in der Hand zu halten, einen Aufschlag zu platzieren und einen Volley zu landen. Er studierte Maschinenbau und Verfahrenstechnik und arbeitete nebenbei erfolgreich als Tennislehrer. Aus gesundheitlichen Gründen war es dem Vater von mittlerweile drei erwachsenen Kindern irgendwann nicht mehr möglich, zu spielen und zu trainieren. Er machte seine Leidenschaft zum Beruf und begann, Modellflugzeuge zu bauen. 1979 gründete er seine Firma Sport Klemm, die noch heute existiert und die seinen kompletten Kellerraum im Osterather Eigenheim einnimmt. Ehefrau Barbara hat sich damit arrangiert, dass für sie nicht ein Zentimeter Platz in diesen Räumen zur Verfügung steht.

 Alles Handarbeit: Das Querruder wird am rechten Außenflügel befestigt...

Alles Handarbeit: Das Querruder wird am rechten Außenflügel befestigt...

Foto: Anne Orthen

In der einen Ecke das Büro, nebenan die Werkstatt mit Arbeitstischen, vielen Zeichnungen, Blättern, einem großen - natürlich selbst gebauten - Ofen, in dem alle Flugzeugteile über Stunden getrocknet werden.

Was unglaublich klingt, ist wahr: In diesem Kellerraum entstehen seit Jahrzehnten die Flugzeuge mit einer Spannweite von rund 4,5 Metern. Wie viel Flieger Klemm über all die Jahre hergestellt hat? Das weiß er nicht. Hunderte auf jeden Fall. Glasfaser ist - ähnlich wie im Bootsbau - die Basis für die Flugzeuge, die er beim Spezialisten kauft. Diese Rollen mit dem Grundstoff hängen an der einen Wand seines Kellerraums. Davon zieht er die Bahnen ab, die er fürs neue Flugzeug braucht, tränkt den Stoff in Harz. Wie das Flugzeug dann wächst und wächst - so richtig darüber reden will der Tüftler nicht. Betriebsgeheimnis! Aber er ist eben auch einer der wenigen, der so baut und so bekannt ist in der Szene. "Vielleicht gibt es noch eine Handvoll anderer, die die gleiche Passion haben wie ich." Darum will er auch nicht alle Bau-Details verraten.

 ... die Leitwerksform wird mit Glasfaser beschichtet.

... die Leitwerksform wird mit Glasfaser beschichtet.

Foto: Anne Orthen

Die Konstruktion des aerodynamischen Flugzeugs ("ein Albatross ist das beste Vorbild") kommt auf jeden Fall komplett mit Farbe, Lackierung und Aufdruck in eine - natürlich selbst entwickelte und gebaute - Form, ähnlich einer Backform für einen überdimensionalen Kuchen. Alles zusammen bleibt einen Tag im Ofen - und fertig sind die Flugzeugteile, die dann noch montiert werden. Klingt einfach, ist aber ein ausgeklügeltes System für einen Fachmann, der rund 120 Stunden für jedes Fluggerät braucht.

Die ultraleichten Modelle, die Klemm baut, haben alle den gleichen Namen: Flying special, nur die Modellnummern ändern sich. Seine Kunden sind ähnlich verrückt wie er: "Das sind Freaks, die zur Entspannung eben einfach mal den Segelflieger gleiten lassen", so Klemm. Andere würden Golf spielen, seine Kundschaft eben den Flieger fliegen lassen.

Viele nehmen mit seinem Flying Special aber auch an nationalen und internationalen Wettkämpfen teil - und belegen natürlich erste Plätze. Denn das besondere Kennzeichen der Klemm-Flieger ist ihre enorme Belastbarkeit. Die Modelle können Geschwindigkeiten von 300 Km/h erreichen. Ist schon mal etwas kaputt gegangen? Natürlich nicht - und wenn, dann nur durch falsche Handhabung des Benutzers. "Meine Flugzeuge haben eine hohe Festigkeit, sind aber andererseits so leicht wie möglich." Schließlich sollen die rund 4,5 Kilogramm schweren Flugzeuge auch in einen Rucksack passen, mit dem die Hobbyflieger die Berge hochkraxeln und dann ihre Flugzeuge schweben lassen.

Der teuerste Flieger made in Osterath kostet 5000 Euro, Kunden kommen aus Kanada, Australien oder den USA, die meisten Klemm-Flieger aber schweben über die Alpen. Und noch etwas Besonderes in der Firma Sport Klemm: Der Tüftler kann auch 20 Jahre nach dem Bau eines Fliegers immer noch Ersatzteile liefern. Oder stellt sie ansonsten eben selbst her.

Wenn Volker Klemm, der auch einen Drachenflugschein besitzt, die Zeit hat, lässt er seine Flieger auch selber in die Luft - am liebsten im Braunkohletagebau. "An den Hängen kriegen die Flugzeuge richtig Speed, fliegen 200 Stundenkilometer die Stunde." Dann ist der 62-Jährige in seinem Element - in der Natur, mit dem Wind, "und dann kann ich die Vögel lesen".

(RP)
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