Meerbusch Streik: Eltern betreuen jetzt selbst in Kitas

Meerbusch · Not macht erfinderisch: In der dritten Streikwoche der Erzieherinnen stellt die Stadtverwaltung Elternbeiräten die Kindertagesstätten zur Verfügung. Sie können dort Kinder in Eigenregie betreuen

 Anne Bräunl las gestern den Kindern der während des Streiks zwölfköpfigen Maulwurfsgruppe aus dem Regenbogenfisch-Buch vor.

Anne Bräunl las gestern den Kindern der während des Streiks zwölfköpfigen Maulwurfsgruppe aus dem Regenbogenfisch-Buch vor.

Foto: Ulli Dackweiler

Streikende Erzieherinnen und Erzieher sorgten in den vergangenen zwei Wochen für Leere und Stille in den Räumen der Osterather Kita "Rasselbande". Gestern brach die dritte Woche des Kita-Streiks an - und die Räume füllten sich mit Leben. Einer Initiative des Elternbeirats ist es zu verdanken, dass neben den städtisch organisierten Notgruppen weitere Betreuungsmöglichkeiten eingerichtet werden konnten.

Für die "Rasselbande" bedeutete das: Wo sonst mehr als 100 Kinder betreut werden, spielten gestern immerhin 20 Kinder miteinander - und das nicht unter der Aufsicht von ausgebildeten Erziehern, sondern unter der von fünf engagierten Eltern. Eine von ihnen war Susi Schlink. "Der Elternbeirat hat sich informiert, ob man die leeren Räume nicht für eine eigene Betreuung nutzen könnte", berichtet Schlink, deren Tochter Lea die "Rasselbande" besucht. Die Antwort lautete: "Ja - solange pro fünf Kindern eine erwachsene Aufsichtsperson dabei ist", so Schlink. Unter dieser Bedingung konnte der Elternbeirat in der "Rasselbande" zwei Betreuungsgruppen einrichten.

Die Aufsicht übernahmen Eltern, deren Kinder die "Rasselbande" besuchen. Für diese Woche steht der Betreuungsplan fest, und an dem Plan für die kommende Woche wird bereits gearbeitet. Neben der Betreuung engagieren sich die Eltern auch in anderen Bereichen, stellen zum Beispiel Frühstück und Mittagessen zusammen.

Die Initiative entlastet vor allem berufstätige Eltern, die bisher auf hilfsbereite Verwandte und verständnisvolle Chefs hoffen mussten. Sie stellt die betreuenden Eltern aber auch vor neue Herausforderungen: "Fremde Kinder beaufsichtigen, das ist etwas ganz anderes als sonst", meint Ralf Haase. Im Unterschied zu vielen anderen Eltern hat er kein Betreuungsproblem und konnte in einer der zwei Gruppen vormittags die Aufsicht übernehmen. "Die Kinder loten natürlich aus, wie weit sie gehen können", berichtet er. "Man muss erst mal schauen, was das für Kinder sind", stimmt Schlink zu. Dabei versuchen die Eltern, möglichst nah am Kindergartenalltag zu bleiben. Sie singen, gehen spazieren und lesen aus dem beliebten Regenbogenfisch-Buch vor. Selbst wenn die Kinder vielleicht etwas lauter als sonst sind - ihnen scheint das Ersatzprogramm in der gewohnten Umgebung der Kita zu gefallen.

3000 Teilnehmer bei Demo zum Kita-Streik in Köln
7 Bilder

3000 Teilnehmer bei Demo zum Kita-Streik in Köln

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Ein Dauerzustand kann und soll dieser Ersatz trotzdem nicht werden. "Ich habe schon Verständnis für den Streik", meint Schlink, "es ist aber etwas stressig, auch für die Kinder, die sind viel quengeliger als sonst". Auch Haase kritisiert, dass der Streik die Kinder aus ihrem Rhythmus bringe. "Und das reißt das Gruppengefühl ziemlich auseinander", so Haase, "ich habe aber volles Verständnis für die Motive des Streiks." Das Problem der aktuellen Lage sieht er darin, dass den Streikenden ein starkes Druckmittel fehle. "Die Fronten verhärten sich immer mehr", sagt er. Umso besser sei es, wenn die Notbetreuung während des Streiks weiter ausgebaut wird: "Ich bin echt froh, dass wir die Möglichkeit hier bekommen haben", bemerkt er und fügt respektvoll hinzu: "Die Eltern, die sich hier richtig einbringen, die haben sich echt was vorgenommen."

(RP)
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