Meerbusch Weiter Ärger um Pflegedienst

Meerbusch · Wegen akuten Personalmangels kann der Mobile Hilfsdienst Meerbusch keine Patienten mehr versorgen. Der Vorstand führt das auf Versäumnisse der Pflegedienstleitung zurück. Jetzt melden sich frühere Angestellte und weitere Patienten zu Wort.

 Enorm wichtig, oft belastend und häufig schlecht bezahlt ist die Arbeit der Pflegekräfte vor Ort.

Enorm wichtig, oft belastend und häufig schlecht bezahlt ist die Arbeit der Pflegekräfte vor Ort.

Foto: dpa-tmn

Die Probleme beim Mobilen Hilfsdienst Meerbusch (MHM) und die daraus resultierenden Folgen für die Patienten sind weiterhin Gesprächsthema in Meerbusch. Wegen akuten Personalmangels kann der MHM keine Patienten mehr medizinisch versorgen. Einer bereits beschlossenen Kündigung der Pflegeverträge durch die Pflegekassen ist der eingetragene Verein mit einer Vertragsrücknahme zum 31. Dezember zuvorgekommen.

Die Situation erklärte MHM-Vorstand Cord Wellhausen im Gespräch mit unserer Redaktion mit organisatorischen Versäumnissen in der zuständigen Pflegedienstleitung, von der man sich mittlerweile getrennt habe. Jetzt meldet sich diese zu Wort und sagt: Nicht der MHM habe ihr gekündigt, sondern umgekehrt. Die personellen Probleme seien erst entstanden, nachdem Ende September, Anfang Oktober eine stellvertretende Pflegedienstleistung eingesetzt worden sei. Allgemein, heißt es, habe kein gutes Betriebsklima geherrscht, insbesondere in Bezug zur Chefetage. Das, sagt die ehemalige Pflegedienstleitung, habe im Laufe der Zeit zu zahlreichen Krankmeldungen und Kündigungen geführt. "Die organisatorische Planung wurde von Mitarbeitern übernommen, die weder Ahnung von Pflege noch von den Patienten vor Ort hatten. Termine mit Patienten wurden einfach abgesagt oder verschoben." In einer E-Mail, sagt die frühere MHM-Pflegekraft, habe sie darauf hingewiesen, dass sie dafür keine Verantwortung übernehme wolle. Anfang November habe sie dann selbst gekündigt. Patienten und Angehörige seien mit ihrer und der Arbeit der Pflegedienstmitarbeiter zufrieden gewesen. Im Gespräch mit unserer Zeitung bestätigen viele das.

Dass der MHM in den vergangenen Wochen der Versorgung der Patienten nicht mehr vernünftig nachkommen konnte, streitet auch Cord Wellhausen nicht ab. "Deshalb habe ich die Reißleine gezogen, bin meiner Meldepflicht nachgekommen und habe die Pflegeverträge zurückgegeben", sagt er. Eine Sprecherin der Knappschaft, die für den Bereich Meerbusch die Arbeit der Pflegekassen koordiniert, betont allerdings, dass die Kassen die Pflegeverträge wegen mangelnder Sicherstellung der Patientenversorgung ihrerseits zum Ende des Jahres gekündigt hätten. "Die Schreiben lagen bereits unterschriftsreif auf dem Tisch, die Rückgabe der Verträge durch den Mobilen Hilfsdienst Meerbusch kam der Kündigung nur zuvor", heißt es. Möglicherweise werde diese aber trotzdem noch ergehen.

Anlass für das Aufsetzen der Kündigungsschreiben war für die Pflegekassen eine Überprüfung des MHM durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) im November. Fast alle Patienten - vor einem Jahr noch ungefähr 80 - wurden mittlerweile auf umliegende Pflegedienste verteilt. Einfache Betreuungsdienste, die nichts mit medizinischer Versorgung zu tun haben, darf der Pflegedienst nach wir vor anbieten. Derzeit wird nach neuen Mitarbeitern gesucht. "Es ist grundsätzlich schwierig, qualifiziertes Pflegepersonal zu finden", sagt Cord Wellhausen. "Unser Ziel ist ein kompletter Neustart im kommenden Jahr."

Fakt ist: Landesweit ist die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, in den vergangenen Jahren gestiegen. So gab es im Dezember 2015 in Nordrhein-Westfalen rund 638.100 Pflegebedürftige im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Wie Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) als amtliche Statistikstelle des Landes anhand vorliegender Ergebnisse der Pflegestatistik mitteilt, waren das 9,7 Prozent mehr als zwei Jahre zuvor (Ende 2013: 581.500). Etwa 473.500 (74,2 Prozent) Pflegebedürftige wurden demnach zu Hause versorgt, davon rund 151.400 von ambulanten Diensten.

Runtergebrochen auf den Rhein-Kreis Neuss stellt sich die Lage noch alarmierender dar: Insgesamt 15.460 Pflegebedürftige im Dezember 2015, davon wurden 2468 von ambulanten Pflegediensten betreut. Zum Vergleich: 2011 bezogen im Rhein-Kreis 12.146 Menschen Pflegeleistungen, 2013 stieg die Zahl auf 13.717. Gegenüber 2011 ergibt sich damit für 2015 ein Anstieg von 12,7 Prozent. Für NRW gehen die Statistiker weiter von einem starken Anstieg der Zahl Pflegebedürftiger bis zum Jahr 2055 aus.

(RP)
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