TV-Kritik aus Meerbuscher Sicht Wie der WDR einmal einen Klischeebericht über Meerbusch drehte

Meerbusch · In den sozialen Medien diskutieren die Meerbuscher seit Mittwochabend rege das WDR-Format "Die Story" mit dem Sendungstitel "Kommunen am Limit. Flüchtlinge mal Last, mal Segen".

 Bürgerdiskussion mit Mielke-Westerlage. Ausschnitt aus WDR-Sendung.

Bürgerdiskussion mit Mielke-Westerlage. Ausschnitt aus WDR-Sendung.

Foto: WDR Screenshot

Die Journalistin Sejla Didic-Pavlic des WDR hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Beherbergung der Flüchtlinge in der wirtschaftlich schwächelnden und von hohem Leerstand geprägten Sauerland-Stadt Altena mit der in der prosperierenden Stadt Meerbusch zu vergleichen. Ihre Arbeitsthese war somit gleich geboren: Herzliches Altena gegen abweisendes Meerbusch. Arme soziale Kommune Altena gegen reiche asoziale Kommune Meerbusch. "Meerbusch" - alliteriert ja auch so schön mit Millionäre.

140.000 Deutsche, 2,3 Prozent aller Fernsehzuschauer am Mittwochabend, haben die Sendung gesehen, die das Bild der Stadt Meerbusch vielleicht mehr prägt als so manche neue Marketingkampagne. Es ist nie schlecht, als Journalist eine steile These zu haben: Ihre Kritik machte die Autorin im Kern daran fest, dass Altena den Flüchtlingen Wohnraum in Wohnungen bieten kann, während Meerbusch auf Turnhallen und Großunterkünfte setzt. Schade nur, wenn die Faktenlage gegen diese These spricht: Wer den 45-minütigen Beitrag mit Sinn und Verstand ansah, der konnte lernen, dass Meerbusch sich sehr wohl für die Flüchtlinge einsetzt, dass hier vieles geleistet wird, um überhaupt Wohnraum zu schaffen.

Die entscheidenden beiden Zahlen aber wurden in dem Bericht nicht genannt: Altena hat laut Berichten eine Leerstandsquote von rund 12 Prozent, Meerbusch rund 1,5 Prozent (Stand 2011). In Altena ist also schlichtweg mehr freier Wohnraum für Flüchtlinge vorhanden. 1969 lebten dort 32.000 Menschen, heute noch 17.000. In Meerbusch zahlt man Kaltmieten von zehn Euro pro Quadratmeter. Man kann lernen aus diesem Format. Ganz sicher hat der Bericht in der Meerbuscher Politik das Bewusstsein noch einmal geschärft, dass sozialer Wohnungsbau auch in Meerbusch nötig ist. Es gibt in Meerbusch einen Beschluss, dass bei einem Verkauf von städtischem Bauland mindestens 30 Prozent der Fläche für sozialen Wohnungsbau genutzt werden muss (Am Rande: auch so eine interessante Zahl, die Erwähnung hätte finden dürfen).

Spannend zu sehen war außerdem, wie der Altenaer Bürgermeister Dr. Andreas Hollstein (CDU) im Film breiter Platz eingeräumt wurde, sich als hemdsärmeliger Macher zu präsentieren. Minutenlang ließ er sich filmen, wie er am Telefon Betten für Flüchtlinge bestellte oder zusammen mit Flüchtlingen Wohnungen besichtigte; eine Arbeit, die für gewöhnlich sicherlich eher seine Mitarbeiter ausführen. Altena hat sich dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegenüber sofort kooperativ gezeigt.

Vielleicht hätten auch die in Meerbusch so rege tätigen Ehrenamts-Initiativen das Medium TV nutzen müssen, um ein anderes Bild von der Stadt zu zeichnen. Sie wurden nur einmal kurz erwähnt. Stattdessen strotzte der Beitrag vor Meerbusch-Klischees: Kameraschwenks über Einfamilienhäuser, vor denen teure Autos stehen, deren Nummernschilder gepixelt sind, deren Besitzer nicht reden wollen. Den alles entscheidenden Satz versteckte der WDR am Ende des Films - den nämlich, als Bürgermeisterin Angelika Mielke-Westerlage erwähnte, dass es schlicht keinen Wohnraum gibt.

Was also haben wir als objektiv schauender Zuschauer erfahren? Es gibt in Meerbusch und Altena Flüchtlinge, es gibt in Meerbusch wie in Altena engagierte Bürger, die sich um die Flüchtlinge kümmern, andere Bürger, die sie eher ablehnen und es gibt in Meerbusch wie in Altena Wohnungen. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie in Meerbusch schon bewohnt sind.

(sep)
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