Meerbusch Will Brülls Künstlerleben jetzt als Buch

Meerbusch · In intensiven Gesprächen hat Kunsthistorikerin Eri Krippner viele Facetten aus dem Leben des heute 91-jährigen Künstlers Will Brüll zusammengetragen. In Zusammenarbeit mit dem Grupello-Verlag wurde daraus ein Buch

 Will Brüll und Kunsthistorikern Eri Krippner präsentieren das neue Werk, das aus intensiven monatelangen Gesprächen über das Leben des Künstlers entstanden ist: Ein Porträt von 91 Lebensjahren.

Will Brüll und Kunsthistorikern Eri Krippner präsentieren das neue Werk, das aus intensiven monatelangen Gesprächen über das Leben des Künstlers entstanden ist: Ein Porträt von 91 Lebensjahren.

Foto: Ulli Dackweiler

VON ANANDA MILZ

Als Will Brüll nach dem Krieg mit seinem Moped an der Mühle in Osterath vorbeikam, war sie kaum zu identifizieren. "Da steht ´ne Ruine im Acker, hab' ich mir damals gedacht", erinnert sich der Künstler. Hinter einem Bretterverschlag lag sie dann vor ihm: "Eine Mühle ohne Dach und Fenster." Doch blitzartig war klar: "Die will ich haben." Für 10 000 D-Mark habe er sie 1955 erworben und mit der Hilfe seines Bruders, Architekt aus Viersen, liebevoll wieder aufgebaut.

Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ist die Turmwindmühle am Ortsrand von Osterath längst mehr als ein schönes Zuhause. Sie wurde der Ort, an dem er mit seinem unermüdlichen Schaffensdrang eine einzigartige Kombination aus Atelier, Galerie, Museum und Skulpturengarten schuf. Dieses "Leben im Gesamtkunstwerk" hat die Meerbuscher Kunsthistorikern Eri Krippner jetzt in einem Buch eingefangen. Der Anstoß dafür kam von der Brüll-Houfer-Stiftung. Zusammen mit dem Grupello-Verlag wurde das Buch im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht.

"Über mehrere Monate besuchte ich Will Brüll regelmäßig in seiner Mühle", sagt die Autorin. Aus den vielen Gesprächen und Aufzeichnungen entstand dann das einfühlsame Porträt über Leben und Schaffen des heute 91-jährigen Künstlers. Berühmt geworden ist der Meerbuscher durch seine außergewöhnlichen Edelstahlskulpturen - und zwar weit über den regionalen Raum hinaus. Der Bezugspunkt seiner Skulpturen liegt zurück, in seiner Zeit als Pilot im Zweiten Weltkrieg. "Durch das Fliegen entwickelte sich mein Empfinden für den Raum und die Dynamik im Raum. Alle meine Dinge entstanden daraus", erklärt Brüll. Seine großen Raumplastiken, meist aus Edelstahl, finden sich vielfach im öffentlichen Raum.

Ob ihn Meerbusch selbst, wie die "Schwinge der Freundschaft" (Strümp) oder der "Große Raumwirbel", sechs Meter hoch, in Osterath, in der Landeshauptstadt Düsseldorf oder sogar in Übersee. Sein Trauermal, das auf dem Osterather Friedhof steht, war indes für einen ganz anderen Ort vorgesehen. "Ich habe es nach dem Krieg für alle Opfer entworfen, und wollte es eigentlich im ehemaligen Königsberg errichten lassen", erklärt Brüll. Der Antrag wurde auf russischer Seite jedoch abgelehnt.

Rund 100 seiner Skulpturen finden sich in verkleinerter Form im Garten und im eigenen Museum des Künstlers. Werke von anderen Künstlern sammelt er seit vielen Jahren aber auch. "Ich hatte schon immer eine Nase dafür, wer mal berühmt werden wird", sagt er salopp. Generell redet der 91-Jährige pointiert und oft mit schelmischem Augenzwinkern. Die wohl teuerste Fischgräte der Welt findet sich daher auch in seiner Mühle. Die Geschichte dazu hat er gleich parat: Nach dem Krieg besuchte er die Düsseldorfer Kunstakademie, wo er sich mit Joseph Beuys anfreundete. Als sie hunger hatten, kauften sie sich von einer Essensmarke einen Hering und teilten sich freundschaftlich den Fisch. "Die Gräte hat sich Beuys dann eingepackt, das sei schließlich das Beste daran", erzählt Brüll. Erst hing das gute Stück in der Eat-Art-Galerie, nun in der Mühle in Osterath.

Viele Anekdoten aus seinem bewegten Leben finden sich nun gebündelt in der neuen Monographie. Hilfreich dafür waren auch Brülls eigene Aufzeichnungen aus dem Tagebuch. "Unser Vater hat uns mit Strenge dazu angehalten, eines zu führen", sagt er.

Will Brüll kommt aus einer Viersener Familie und war das erste von insgesamt sechs Kindern. Geprägt wurde seine Kindheit vor allem durch den Vater, der als katholischer Schuldirektor stets zur Disziplin anhielt und an die Moral appellierte. "Nicht unter meinem Dach!", war ein Satz den Brüll oft von seinem Vater hörte, etwa, wenn er ihn beim Aktzeichnen erwischte oder am Klavier, wenn er Lieder von Zarah Leander spielte.

Doch der Vater konnte Brüll von seinem eigenen Weg nicht abhalten. Im Gegenteil. Die Disziplin, die er lernte, half ihm sogar, sich als Künstler zu organisieren und sein eigenes Archiv aufzubauen. "Ein Ort, wie Will Brülls Mühle ist einzigartig", erklärt Bruno Kehrein vom Grupello-Verlag. "Danach würden sich viele Städte die Finger schlecken, auch die großen."

Und so kann sich Meerbusch glücklich schätzen. Da Will Brüll und seine Frau Anneliese Holte-Houfer kinderlos geblieben sind, wird sein Gesamtkunstwerk später einmal in den Besitz der Stadt übergehen.

(RP)
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