Mettmann ALS-Patientin kämpft um Betreuung

Mettmann · Die RP hatte über die an ALS erkrankte Mettmannerin Nicole Meyer berichtet, weil sie mit der Finanzierung ihres Pflegedienstes große Probleme hatte. Sie sollte Windeln tragen, obwohl sie nicht inkontinent ist. Nun sind 70 Stunden Pflege im Monat bewilligt – das ist noch viel zu wenig.

 Nicole Meyer muss die Nachmittage allein und ohne Pfleger verbringen.

Nicole Meyer muss die Nachmittage allein und ohne Pfleger verbringen.

Foto: Dietrich Janicki

Die RP hatte über die an ALS erkrankte Mettmannerin Nicole Meyer berichtet, weil sie mit der Finanzierung ihres Pflegedienstes große Probleme hatte. Sie sollte Windeln tragen, obwohl sie nicht inkontinent ist. Nun sind 70 Stunden Pflege im Monat bewilligt — das ist noch viel zu wenig.

Wochenlang hatte Nicole Meyer auf diesen Brief gewartet. Eigentlich hätte es nur wenige Tage dauern sollen. So zumindest war es ihr vom Amt für Menschen mit Behinderungen nach einem gemeinsamen Gespräch im Januar versprochen worden. Das wiederum hatte erst stattgefunden, nachdem die RP über die an ALS erkrankte Mettmannerin berichtet hatte.

Danach schien sich nun endlich etwas zu bewegen. Zwischenzeitlich hat sich auch die CDU-Kreistagsfraktion in den Fall eingeschaltet, um Landrat Thomas Hendele um eine Stellungnahme und um die Beschleunigung des Verfahrens zu bitten.

Zuvor hatte Nicole Meyer ein Jahr lang erfolglos um die Bewilligung des persönlichen Budgets gekämpft, dass ihr zu Finanzierung ihres Hilfebedarfs zusteht. Stattdessen hatte man ihr nahe gelegt, zwischen den Besuchszeiten des Pflegedienstes doch Windeln zu tragen. Das wiederum wollte sie nicht einfach so hinnehmen.

Am Mittwoch nun hielt Nicole Meyer den ungeduldig erwarteten Brief in den Händen und sank innerlich in sich zusammen. Nicht nur, dass es bis dahin keine drei Tage, sondern drei Wochen gedauert hatte.

Dass ihr in einem "vorläufigen Bescheid" mit monatlich 1200 Euro jedoch nur ein Teil dessen zugesagt wurde, was sie an Hilfe brauchen würde: Das war mehr, als sie verkraften kann. "Mir wurde versprochen, dass alles laufen werde und ich mir keine Sorgen mehr machen muss", sagt sie unter Tränen. Was der Bescheid bedeutet, hat Tobias Gumbrich ausgerechnet: "Davon könnte man jemanden für 60 bis 70 Stunden im Monat einstellen. Und das ist für den Hilfebedarf in diesem Stadium der Krankheit bei weitem nicht genug", sagt der Geschäftsführer der Firma Sebeko, von der Meyer im Rahmen des persönlichen Budgets begleitet wird.

Beantragt waren acht bis zehn Stunden täglich, und das auch am Wochenende. Im Klartext heißt das: Etwa 250 bis 300 Stunden wären notwendig, um tagsüber nicht mehr allein sein zu müssen. Und die wiederum bekommen andere, von der Sebeko betreute ALS-Patienten, offenbar problemlos bewilligt. Beim Kreissozialamt weist man hingegen darauf hin, dass noch nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht seien. "Es müssen zunächst die genauen Angaben der Krankenkasse vorliegen und erst danach kann die endgültige Leistungshöhe berechnet werden kann", sagt Anne Sauter von der Pressestelle nach Rücksprache mit den Sachbearbeitern des Kreissozialamtes.

Dem wiederum hält Sebeko-Geschäftsführer Tobias Gumbrich entgegen, dass es bei anderen Kommunen durchaus die Möglichkeit gebe, im Sinne von ALS-Patienten anfangs höhere Abschlagszahlungen zu bewilligen, um im Hintergrund die Bürokratie abwickeln zu können. Für Meyer geht sie nun jedenfalls erstmal wieder los, die Odyssee durch Ämter und Behörden. Und nicht nur das: Mit dem Wissen der zuständigen Stellen beim Amt hatte die ALS-Patientin jemanden für sechs Stunden bis zum Mittag beschäftigt, der ihr im Alltag hilft.

Und nun reicht der bewilligte Abschlag für den Januar nicht aus, um diese Pflegehilfe zu bezahlen Die wiederum hatte die Not erkannt und auf ihr Gehalt verzichtet, um zu warten, bis der Zuschuss endlich kommt. Und wenn man genau das schafft, gereicht einem offenbar die eigene Kraft zum Nachteil. "Ich wollte auf keinen Fall weinen. Dann wären Dämme gebrochen und das wollte ich unbedingt vermeiden", erinnert sich Meyer an die Gespräche beim Amt für Menschen mit Behinderungen.

Geweint hat sie dann nachher zuhause. Und sie fühlte sich so schwach, dass sie viele Tage auch nachmittags kraftlos mit der Atemmaske im Bett verbringen musste. Nun also heißt es wieder Warten. Darauf, dass sich der Arzt mit dem Ausstellen der Verordnung beeilt. Darauf, dass bei den Ämtern dann noch mal jemand nachrechnet. Darauf, dass sie nachmittags nicht mehr allein sein muss.

(magu)
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