Adventserie "ach Du Heiliger Bimbam" Das Glocken-Wunder von Mettmann

Mettmann · Kirchenglocken waren immer auch Taktgeber des Ortes, gaben Alarm.

 Hubert Füngers betrachtet die Glocken in St. Lambertus - hier die große Glocke von 1727.

Hubert Füngers betrachtet die Glocken in St. Lambertus - hier die große Glocke von 1727.

Foto: Dietrich Janicki

METTMANN So eine Kirchenglocke kann sich nicht einfach hängen lassen. Da täuschen sich selbst gläubige Menschen. Für sie hielt der Heimatforscher Karl Korn eine Arbeitsplatzbeschreibung aus dem 16. Jahrhundert fest. Es handelt sich um eine Aufschrift auf der Anna-Glocke, die im Turm der Mettmanner Pfarrkirche St. Lambertus erklingt. Sie misst 1,42 Meter im Durchmesser und wiegt 1.530 Kilogramm. Karl Korn notierte die Aufschrift: "Getauft bin ich, denn ich heiße Anna. Ich preise den wahren Gott, rufe das Volk, versammle die Priester, verscheuche die bösen Geister und Gewitter, vor mir fliehen die Räuber."

"Heiliger Bimmbamm!" - das klingt nach Multi-Tasking. Seit jeher war so ein Glockenturm der Taktgeber eines Ortes. Die Glocken waren Andachtssignal, aber auch Nachrichtenklingel, Feuer-Alarm, Warnung vor Angreifern - ein mächtiges, klangvolles Facebook und What's up aus dem Mittelalter. Heute machen unsere Handys leise "Ping"; vorausgesetzt, man hat Netz!

So wie sich ihr Schall kreisförmig ausbreitet, legen sich die Legenden um die Glocken von St. Lambertus. Die mächtigste Erzählung stammt aus jenen katastrophalen "1000 Jahren" voller Intoleranz und Willkür, Mord und Gewalt. Die Nazis hatten das Glockenmaterial herausgerissen. Der Rüstungsfuror gierte nach Metallnachschub für Kanonen und Granaten.

In Hamburg türmten sich Metallhauben aus dem gesamten Reich zu einer Warte-Pyramide vor den Schmelzöfen. Die Glocken aus Mettmann blieben verschont und kehrten nach Kriegsende unversehrt zurück. Die RP hat diesen Moment dokumentiert. Es zeigt lauter Männer mit lachenden Gesichtern. Denn sie wissen, dass ein unheiliger Spuk beendet ist.

Die Anna-Glocke war aber nicht allein über dem Kirchenschiff von St. Lambertus. Mit ihr aufnehmen konnte es die Sturmglocke, die vor 300 Jahren als dritte im Bunde angeschafft wurde, um Alarm zu schlagen. Sie läutete immer dann, wenn es irgendwo brannte und die Feuerwehr alarmiert werden musste. Gewidmet war sie unter anderem dem Mettmanner Amtsrichter Sigismund Schwarz, der mit einem der letzten Hexenprozesse im Rheinland von sich Reden gemacht hatte.

Als man mit der Sturmglocke gerade die schwerste Glocke in den Lambertusturm gehievt hatte, folgte wenig später noch die Ave-Glocke. Sie läutete fortan den Tag ein und abends aus. Bis 1972 geschah das in St. Lambertus noch von Hand. Wer im zugigen Kirchturm den Dienst an den Glockenseilen versehen hatte, war geläutert. Die Läute-Ordnung legte fest, wann welche Glocke ihren Dienst zu tun hatte. Mittlerweile erledigt das - ein Computer.

(RP)
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