Mettmann Das Trottoir gab der Breite Straße den Namen

Mettmann · Die Straße in Mettmanns Mitte hat eine wechselvolle Geschichte. Die Blechlawine gibt es nach dem Umbau nicht mehr und der üppige Bürgersteig kommt zurück.

 Dieses historische Foto, vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen, zeigt die Breite Straße vom Brücker Berg aus. Es fällt auf, dass der Bürgersteig auf der linken Seite sehr breit ist. Nach dem aktuellen Umbau erhält die Breite Straße wieder einen großzügigen Bürgersteig.

Dieses historische Foto, vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen, zeigt die Breite Straße vom Brücker Berg aus. Es fällt auf, dass der Bürgersteig auf der linken Seite sehr breit ist. Nach dem aktuellen Umbau erhält die Breite Straße wieder einen großzügigen Bürgersteig.

Foto: Stadtarchiv

Straßen haben wie Menschen ihre Geschichte. Viele existieren schon seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten. Sie erleben Freud und Leid, während der Verkehr über sie hinweg rollt. Sie ertragen Wunden, werden alt und verkommen, wenn man sie nicht hin und wieder in ein neuzeitliches Gewand kleidet. Genau das passiert gerade mit der Breite Straße und alle hoffen, dass ihr das gut zu Gesicht stehen wird. Jedenfalls soll es dort bald schon ruhiger werden und hört man den Geschichten zu, die über sie erzählt werden, so soll es dort früher ganz beschaulich zugegangen sein.

 Die Breite Straße (Ansicht von der Freiheitstraße aus) war Anfang des 20. Jahrhunderts gepflastert, Kutschen und Pferdewagen beherrschten das Straßenbild.

Die Breite Straße (Ansicht von der Freiheitstraße aus) war Anfang des 20. Jahrhunderts gepflastert, Kutschen und Pferdewagen beherrschten das Straßenbild.

Foto: Sutton Verlag

Samstags jedenfalls war Kehrtag. Wer in einem der Häuser wohnte, musste sich also einen Straßenbesen zulegen. Gefegt wurde von der Mitte an und schön ordentlich. Man kann sich das gut vorstellen: Herr Meier plaudert beim Straßenkehren mit Frau Müller über dies und das. Wer hat mit wem angebändelt? Wen hat man gerade zum Friedhof in der Goethestraße gekarrt? Von der Wiege bis zur Bahre wurde vermutlich alles durchgehechelt - und dabei immer brav gefegt.

"Eigentlich sollte das auch am Mittwoch so sein", plaudert Heimatforscher Carl Klockenhoff in der "Medamana" aus den Annalen. Man achte auf das Wörtchen "eigentlich", was vermutlich soviel heißt, wie: Man sollte, aber man wollte nicht. Soll der olle Viehhändler Abraham Simson seinen Dreck doch alleine wegmachen! Wie kommt so einer überhaupt auf die Idee, seine Ochsen und Schafe über den drei Meter breiten Bürgersteig trotten zu lassen?

 Derzeit erhält die Straße wieder ihr ursprüngliches Gesicht. Gestern wurde eine Asphaltschicht aufgetragen.

Derzeit erhält die Straße wieder ihr ursprüngliches Gesicht. Gestern wurde eine Asphaltschicht aufgetragen.

Foto: cz

Für die Stadtoberen war dieses üppige Trottoir jedenfalls Grund genug, um der Breite Straße genau diesen Namen zu verpassen. Das erste Haus am Platze: Das Hotel Vogel. Dort traf man sich zum Bier und dass ein derartiges Stelldichein auch schon mal zu ausschweifenden Streitereien auf der Kneipentoilette führen konnte, ist überliefert. Leute mit Geld stritten mit dem Bürgermeister um selbiges, um ein paar Karpfen und wegen der Franzosen. Sollte das Toilettenfester offen gestanden haben, hätte man auf der Breite Straße wohl munter mithören können.

Ein paar Häuser weiter am Mettmanner Bach: Ein Bauernkotten mit Brennereibetrieb, die spätere Gaststätte Norbisrath. Der Bach lag nahe, aber ob es der mit Bachwasser gepanschte Schnaps auch tat? Wir wissen es nicht. Nach ein paar Gläschen wäre das vermutlich auch egal gewesen.

In den 1870er Jahren wurde in der Straße übrigens gebaut, was das Zeug hielt. Aus einer Nagelschmiede wurde das Eisenwarengeschäft von Otto Overhoff. Auf der einen Seite baute ein Schneidermeister sein Haus, auf der anderen Gerichtsschreiber Franz Wiemers einen Anbau. Auch der stadtbekannte und gefürchtete Gendarm Knolle soll dort gewohnt und als Rentner seine Tage Pfeife rauchend hinter den blumengeschmückten Fenstern verbracht haben. Gern gesehene Gäste: Die Orgeldreher mit breitkrempigem, schwarzen Calabreser auf dem Kopf, goldenen Ohrringen und dem Doppelkinn über der bunten Weste.

Von sich Reden machte damals auch die Bucklersche Kapelle, die sich vor dem Hotel Vogel aufstellte, um den Mettmannern den Marsch zu blasen. Aus Elberfeld kamen "de Aapen" - ein grüner Affenwagen, vor dem ein tanzender Bär hertrottete. Heimatforscher Klockenhoff: "Ein Pony trippelte im Kreise um einen schwarzlockigen Dompteur. Auf dem Pferdchen saß ein Affe im blauen Husarenrock mit goldenen Schnüren, roten Hosen und zog seinen Säbel." Freitags kam auch noch der Fischhändler Tillmannsdörfer mit seiner "Schuffkar", um Schellfisch zu verkaufen. "Samstags bimmelte das Glöckchen des Vohwinkler Sandmanns durch die Straße, der auf seinem langen Karren weißen Stubensand verkaufte." Stubensand? Gerne würden wir Heimatforscher Klockenhoff fragen, warum damals Sand ins Wohnzimmer gekippt wurde.

Die ersten Autos sorgten auf der Breite Straße übrigens für Aufsehen, Radler hingegen wurden von den Spaziergängern oft als "Chausseewanzen" beschimpft. Damals ahnte man noch nicht, welche Blechlawinen sich Jahrzehnte später durch die enge Kurve drängeln würden.

(magu)
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