Mettmann Duo löst Rätsel um Schloss Hetterscheidt

Mettmann · Helmut Grau und Sven Polkläser räumen mit der Sage um einen versunkenen Prachtbau im Abtskücher Teich auf.

 Helmut Grau und Sven Polkläser (r.) mit ihrem Buch zur Hetterscheidter Geschichte. Im Hintergrund, goldgerahmt, eine alte Ansicht der Abtsküche.

Helmut Grau und Sven Polkläser (r.) mit ihrem Buch zur Hetterscheidter Geschichte. Im Hintergrund, goldgerahmt, eine alte Ansicht der Abtsküche.

Foto: A. Blazy

"Als wir die Karte zuerst sahen, dachten wir, wir werden verrückt." Selten klingt es so euphorisch, wenn der Fachinformatiker Sven Polkläser und der Germanist Helmut Grau über einen Fund berichten, der die Heiligenhauser Sagenwelt vom fantasievollen Kopf auf wissenschaftliche Füße stellt. Dazu brauchte es schon einen handfesten Grund, nebst einer Menge Forscherehrgeiz. Den haben die beiden. Obwohl das Interesse eigentlich der "Gemeinde Hetterscheidt im Spiegel der Abtskücher Volksschulchronik von 1783 bis 1958" galt. Das ist der Untertitel ihres neuen Buchs mit dem krimiverdächtigen Titel "Man sucht die Schule zu morden".

Doch dann kam vieles anders. Da war zunächst eine Karte aus dem Jahr 1783, sie zeigt die Gemarkung Werden ("Territorii Werdinensis"). Gezeichnet hat sie der Regimentschirurg Johann Andreas Nitribitt. Darin, am Rand, die Zeichnung einer Wasserschlossanlage mit zwei Türmen und dem Schriftzug "Hetterscheid". Das ließ den Historikern keine Ruhe, denn "so kann das nicht gewesen sein", sagt Grau. Es gab schließlich aus dem gleichen Jahr einen Pachtvertrag, in dem nur noch von einem für den Werdener Abt reservierten "Häuschen" die Rede war. Kapelle und Residenzgebäude waren zu dieser Zeit schon verfallen, die Kapelle im Jahr 1759, acht Jahre später das so genannte Schloss. Bekannt aus noch weiter zurückliegender Zeit ist weiterhin: Der Abt Hugo Preutäus übernahm 1640 vorhandene Reste der Residenz, ließ Gebäude wiederherstellen und zog 1640 dort ein und umgab sie mit einer hohen Mauer.

Was Grau und Polkläser elektrisierte, war eine weitere, bisher unbekannte Karte, angefertigt am 20. Juli 1813 vom Landvermesser Antojn Brüll. Darin verzeichnet sind Kornmühle, Backhaus, Schule, Scheune und Abtskücher Hof. Dazu, in unmittelbarer Nähe des Wehrturms, die Bezeichnung "Alte Burg". Damit, so schreiben die Autoren, kann nur "das verfallene äbtliche Haus" gemeint gewesen sein. Umgeben von drei Teichen - aber kein Wasserschloss.

Auf die Aussagekraft der Karte vertraut das Duo auch deswegen, weil der Landvermesser nachweislich millimetergenaue Arbeit abgeliefert hat. Trotzdem haben sich beide mit der Interpretation der Karte schwergetan, wie Polkläser sagt. Unter anderem deswegen, weil sie nicht eingenordet war, wie es heute für Karten selbstverständlich ist. Die Konsequenz aus dem Fund: "Von der Bezeichnung ,Schloss' wird man sich an der Abtsküche wohl verabschieden müssen", kommentiert Grau. Dass Polkläser auf die Karte aufmerksam wurde, verdankt sich dem Umstand, dass das Landesarchiv NRW nach und nach seine Bestände digital im Internet bereitstellt. Paradiesische Zustände für den forschenden Fachinformatiker, der für das Buch "Datenbanken weltweit" nutzen konnte. Beide Autoren ergänzen sich hier prächtig: Grau ist Experte für alte Handschriften, ob Sütterlin, Kurrentschrift oder eine Mischung aus beiden, wie sie in alten Chroniken nicht selten zu finden ist.

Übrigens lüften die Autoren auch Geheimnisse um den erhaltenen Wehrturm an der Abtsküche - und schreiben damit ein weiteres Kapitel aus der Sagenwelt um.

(RP)
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