Serie "Ross Und Reiter" Ein Hof fürs Reiten ohne Stress

Erkrath · Julia Deuerlein und Martin Böker kamen als Quereinsteiger zum Pferdebetrieb. Nun haben sie zwölf eigene Pferde.

 Nazareno heißt der Vierbeiner, den Julia Deuerlein und Martin Böker fürs Foto von der Wiese geholt haben.

Nazareno heißt der Vierbeiner, den Julia Deuerlein und Martin Böker fürs Foto von der Wiese geholt haben.

Foto: Ralph Matzerath

Martin Böker (36) kam zum eigenen Pferd wie die Jungfrau zum Kinde. Und dann kam auch noch ein ganzer Reiterhof dazu. Gemeinsam mit Lebensgefährtin Julia Deuerlein (27) pachtet er seit zwei Jahren den Eickener Hof in Erkrath. Sie haben sich dort ihre eigene heile Welt geschaffen, sagen sie. Reiten kann Böker noch immer nicht.

Als sie 2013 ein Paar werden, sieht ihre Welt noch so aus: Sie, Pferdenärrin seit ihrer Kindheit, drei eigene Pferde. Berufswunsch: Reitlehrerin. Er, Geschäftsführer eines Kälte-Klima-Fachbetriebs, ein Hengst, zu dessen Besitzer er durch Zufall während einer früheren Beziehung wurde. Duque. Ein Jahr später gibt der Pächter des nahegelegenen Hofes auf und Deuerlein hat eine Idee, ein "Hirngespinst", wie sie es nennt. "Jedes Mädchen träumt doch irgendwann mal vom eigenen Ponyhof. Ich konnte ja nicht ahnen, dass Martin mitspinnt." Doch Böker gefällt der Plan.

Das Paar zieht mit Deuerleins Pferden, die auf der Wiese ihrer Eltern stehen, Bökers Duque, seiner Firma und drei Hunden auf den Hof an der Beethovenstraße. Acht Hektar - ein Haupthaus, eine Reithalle, Wiesen, zwanzig Boxen, Paddocks. Ein Ort zum Wohnen, Arbeiten, Leben. Gemeinsam renovieren sie Teile des Hofes, richten ein gemütliches Reiterstübchen ein, eröffnen eine Reitschule. Eine mutige Entscheidung, die beide bis jetzt nicht bereuen. "Für Julia ist es die Chance, sich selbst zu verwirklichen. Für mich ist es der perfekte Freizeitausgleich", sagt Böker.

Als Quereinsteiger wird er zum Stallburschen, das entspricht seiner Natur, am liebsten ist er draußen, arbeitet mit Tieren. "Schon früher habe ich mit den Hunden gerne Zeit auf anderen Höfen verbracht, die familiäre Atmosphäre gefiel mir", erinnert er sich. Morgens nach dem Aufstehen, wenn es noch ruhig ist auf dem Hof, füttert er die 17 Pferde, die mittlerweile auf dem Gelände wohnen, schaut nach dem Rechten, dann geht er ins Büro. "Es ist viel Arbeit, aber es ist mehr Leidenschaft und Hobby als ein zweiter Beruf", sagt er.

Dann übernimmt Julia Deuerlein, gibt Reitunterricht, in den Ferien Kinderkurse. So hat auch ihre Liebe zu Pferden begonnen. Mit sechs Jahren nimmt sie die ersten Longenstunden, mit elf Jahren hilft sie auf einem Gestüt aus, hat einige Pflegeponys und nimmt Westernreitunterricht. 2001 bekommt sie ihr erstes eigenes Pony - Soraya. Mit der Knabstrupperstute bestreitet Deuerlein Turniere und reitet Dressur. Heute steht die 25-jährige Pferde-Oma Soraya mit einer pinken Decke im Auslauf auf dem Eickener Hof. Sie hat Arthrose, ist seit 2011 in Rente und immer noch Deuerleins Herzenspferd.

Die 27-Jährige hat eine Grundausbildung zur Pferde-Osteopathin und -Physiotherapeutin gemacht. In ihrer Reitschule steht nicht der sportliche Gedanke im Vordergrund, es geht ihr darum, Körper und Psyche des Pferdes zu formen, Pferd und Reiter in Einklang zu bringen. "Reiten heißt eben nicht nur, auf dem Pferderücken zu sitzen und sich durch die Gegend tragen zu lassen. Es bedeutet vielmehr, Verständnis für das Lebewesen Pferd zu entwickeln, seine Sprache zu erlernen und ihm das, was wir möchten, aus unserer Sprache verständlich zu übersetzen", so Deuerlein. Im Gästebuch ihrer Internetseite loben die Reitschülerinnen Deuerleins Geduld, ihre Methoden bei der Bodenarbeit und mit dem Kappzaum. "Du hast mir geholfen, wieder in den Sattel zu kommen", bedankt sich eine Solingerin. Der Freizeit-Ansatz entspricht ihrer Überzeugung, er soll den Eickener Hof aber auch von anderen Pferdebetrieben im Kreis Mettmann unterscheiden - 88 gibt es insgesamt. 2010 waren es laut dem Rheinischen Landwirtschafts-Verband noch 123.

Deutschlandweit fehlen Angebote für kleine Kinder von vier bis zwölf Jahren, meldet die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN). Auf dem Gebiet der Ponyreitschulen gebe es große Wachstumschancen für Betriebe, die sich entsprechend positionieren, heißt es. Der Zulauf gebe ihnen Recht, sagen Böker und Deuerlein: "Die Nachfrage ist so groß, dass wir in den zwei Jahren schon viele weitere Schulpferde gekauft haben", erzählt Böker. Zwölf eigene Pferde und Ponys hat das Paar mittlerweile. Sechs Boxen werden an andere Pferdebesitzer vermietet. Auch denen soll etwas geboten werden: "Unser Hof ist nicht lieblos oder zweckmäßig. Das hier ist unser Wohnzimmer, und die Einsteller und Schüler sind eingeladen, hier mit uns Zeit zu verbringen", erklärt Deuerlein. In der Sitzecke unter einem großen Kastanienbaum werde häufig gegrillt, in einem überdachten Außenbereich gemeinsam Filme geguckt oder Wasserpfeife geraucht. Details wie eine antike Singer-Nähmaschine, bunte Sitzsäcke, Lichterketten und farbenfrohe Blumenkübel sollen für Hofromantik sorgen.

Die Wohlfühl-Atmosphäre ist wichtig: Deuerlein und Böker verbringen viel Zeit auf dem Hof, Urlaub ist nicht mehr möglich. Vier Tage Spanien, mit dem Mietwagen von einem Züchter zum anderen, Probereiten bei 40 Grad im Schatten und eine Stunde am Strand ist die Bilanz des Paares der vergangenen zwei Jahre. Nicht schlimm, findet Böker: "Wir haben hier die Wiesen, die Natur, die Arbeit mit den Pferden. Das ist doch Urlaub genug."

(tak)
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