Interview Flucht: Keinen Benimm-Kurs für ein anderes Land

Mettmann · Der ehemalige Integrationsbeauftragte spricht über das, was Bürger von den Flüchtlingen erwarten können.

Franz Naber: Sein Rat ist immer noch gefragt.

Franz Naber: Sein Rat ist immer noch gefragt.

Foto: Achim Blazy

Von den Flüchtlingen wird eine "Ankommenskultur" erwartet. Was könnte man darunter verstehen?

Franz Naber Vielleicht ein neues "Unwort". Übersetzt - Dankbar sein, Abwarten und sich bis zur Klärung des Falles anpassen. Ein bestimmter Prozentsatz hat dies auch immer in der Vergangenheit getan, verbunden mit der Hoffnung auf schnelle Arbeitsaufnahme. Es kommen nicht nur Flüchtlinge, die Angst um ihr Leben hatten. Es kommen zum Teil viele Menschen, die mitschwimmen, die wir auch hier nicht haben wollen. Diese sind es, die für negative Schlagzeilen sorgen. Vor der Flucht gab es natürlich keine Vorbereitung und keinen Kursus in "Benimm"-Fragen.

Kann man generell davon ausgehen, dass die Asylsuchenden wissen, was sie in Sachen Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Demokratie in Deutschland erwartet ?

Naber Nein, ich behaupte, dass die meisten der hier einreisenden Personen andere Probleme haben. Es sind viele Fehler gemacht worden und werden immer noch gemacht. Mangelnde oder keine Registrierung bei der Einreise ist dabei der Größte. Man muss wissen, wer hier einreist. Es muss klar sein, dass die Freiheit der Einzelnen da aufhört, wo die des Anderen anfängt. Religiöse Toleranz kann man jemanden nicht überstülpen. Das muss wachsen und hier muss der Kontakt zu den gemäßigten Moschee-Vereinen gesucht werden.

Was dürfte vollkommen neu für Asylsuchende sein?

Naber Das hängt ab von der Bildung, dem Herkunftsland und der entstammenden Kultur. Die meisten Fluchtländer sind stark autoritär geprägt und die Polizei hat nicht den Slogan "Dein Freund und Helfer". Das wird von Flüchtlingen oft als Schwäche ausgelegt. Es sind zunächst die kleinen Dinge, die ihnen fremd sind: andere Kleidungsgewohnheiten, riesige Warenangebote, strikte Verkehrsregeln, zum Beispiel als Fußgänger nicht bei Rot zu gehen, andere Toiletten oder die Mülltrennung, um nur einige zu nennen.

Ist eine getrennte Unterbringung bei kritischen Personengruppen sinnvoll?

Naber Natürlich, aber wie soll das gehen? Die Städte sind froh, dass sie die Unterbringung überhaupt stemmen können. Unterbringung in Wohnungen ist die beste und preiswerteste Möglichkeit. Jeder bringt seine Probleme in eine Sammelunterkunft mit. Immer ist eine direkte Kontaktaufnahme wichtig, damit die Flüchtlinge ein "Ventil" haben. In großen Unterkünften muss es mindestens einen ständigen Ansprechpartner geben, denn allein der Bedarf an Informationen ist riesig. Das kostet zwar Geld, alles andere ist aber teurer.

Macht es Sinn, den Menschen eine Art "Gebrauchsanweisung" an die Hand zu geben, wie Übersetzungen des Grundgesetzes?

Naber Das macht absolut Sinn: Zunächst ist ein mehrsprachiges Heft sinnvoll, in dem alle Fragen alphabetisch beantwortet werden. Diesen "Wegweiser für Flüchtlinge und Asylantragsteller" haben wir in Ratingen seit vielen Jahren. Ein guter Weg gegen falsche Infos. Wo ist das Ausländeramt, das Arbeitsamt, was heißt illegal und Müllentsorgung? Wichtig ist es klarzustellen, dass hier die Religion nicht über unserem Gesetz steht. Das Grundgesetz haben wir allen Personen an die Hand gegeben, die eingebürgert wurden. Wer glaubt, dass Flüchtlinge mit Existenzängsten unser Grundgesetz als Abendlektüre lesen, ist weltfremd.

JOACHIM PREUSS STELLT DIE FRAGEN

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(RP)
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