Kreis Mettmann Groko: Auch bei der Kreis-SPD rumort es

Kreis Mettmann · Sollen sie nun, oder sollen sie nicht wieder in die große Koalition mit der Union? Darüber diskutiert auch die Kreis-SPD. Ein Einvernehmen in dieser Sache gibt es nicht, wohl aber darüber: Die SPD brauche dringend einen Führungswechsel.

 Kerstin Griese (l.), Kreis-Vorsitzende, langjährige Bundestagsabgeordnete und Groko-Befürworterin, hatte zur Diskussion eingeladen. Rund 120 Teilnehmer hörten engagierte Vorträge.

Kerstin Griese (l.), Kreis-Vorsitzende, langjährige Bundestagsabgeordnete und Groko-Befürworterin, hatte zur Diskussion eingeladen. Rund 120 Teilnehmer hörten engagierte Vorträge.

Foto: stephan köhlen

Die Nase voll vom Eiertanz um die Regierungsbildung scheinen nur Außenstehende zu haben. Die Mitglieder der SPD im Kreis Mettmann aber sind mittendrin, müssen bis zum 2. März entscheiden und meldeten sich bei einer Mitgliederversammlung in der Erkrather Stadthalle mit engagierten Stellungnahmen zu Wort. Es waren einige SPD-Urgesteine darunter, aber auch Partei-Frischlinge. Eine Auswahl:

Kerstin Griese, Kreis-Vorsitzende und langjährige Bundestagsabgeordnete, warb zum Auftakt für die große Koalition. Sie hat den Bereich Arbeit/Soziales im Koalitionsvertrag mitverhandelt. Der sei ein Kompromiss, ja. Man habe aber darin viel, wenn auch nicht alles umgesetzt, etwa die Abschaffung der willkürlichen Befristung von Jobs. Unterm Strich lohne es sich jedoch, jetzt mit Ja stimmen. Mit Andrea Nahles werde, meint Griese, die SPD wieder stärker. Dass Martin Schulz Außenminister werden wollte, habe gezeigt, dass ihm ein Regierungsamt wichtiger sei als die Partei, "das war nicht so gut".

Kevin Buchner, Jungsozialist (Juso), will dagegen einen Politikwechsel und kein "Weiter so". Er vermisst zentrale SPD-Themen wie Bürgerversicherung und Nachzugsrecht für Migrantenfamilien im Koalitionsvertrag und befürchtet eine "einschläfernde Politik". Auf der Straße bekomme er viele Rückmeldungen von frustrierten Bürgern, die sich etwas Neues erhofft hatten und die SPD nun für unglaubwürdig, profillos halten. Ihr Tenor: "Egal, was man gewählt hat, am Ende kommt immer Merkel dabei heraus." Die Geschichte habe außerdem gezeigt, dass die Umfragewerte der SPD immer dann sinken, wenn sie mit der Union verbunden ist. Sein Appell: "Lasst Euch nicht von der Angst vor Neuwahlen treiben, seid mutig, sagt Nein."

Heiko Göbel, seit 40 Jahren in der SPD, attestiert der SPD "kollektives Führungsversagen" und meint damit nicht nur Martin Schulz, sondern auch Sigmar Gabriel und Andrea Nahles. Seine Forderung: "Die müssen alle weg." Nahles' "Bätschi", "gibt in die Fresse" und Gesinge im Bundestag, das gehe als Parteivorsitzende gar nicht, sei unprofessionell. Göbel möchte, dass die Partei wieder vorankommt und Glaubwürdigkeit zurückgewinnt: Tun, was man sagt, und sagen, was man tut. Der Koalitionsvertrag sei okay, aber er werde der SPD nicht helfen: "Das Gute wird wieder von Merkel aufgesaugt und das Schlechte der SPD angelastet." "Es darf die Groko nicht geben", meint Göbel.

Kathrin, einen Tag nach der Bundestagswahl in die SPD eingetreten: Auslöser für diesen Schritt sei das AfD-Ergebnis, da sei für sie nichts mehr wie vorher gewesen und sie habe nur gedacht: Was kann ich tun, dass das nicht noch schlimmer wird. Von der SPD will sie jetzt "keinen Brei, sondern eine gute, soziale Politik".

Michael aus Monheim findet die Groko "nicht gut". Ihm gefällt nicht, dass dem Wahlschein zum Mitgliederentscheid ein Zettel zum Thema "Warum wir in eine Groko eintreten sollten" beiliege, aber kein Zettel, auf dem Groko-Kritiker zu Wort kommen. "Ich bin von meiner Führung enttäuscht", sagt er.

Rainer König, 40 Jahre in der SPD, sagt: "Die Leute wollen: Kommt in die Pötte, wir brauchen endlich eine Regierung." Recht hätten sie. Seine Gründe für eine Groko: Die CDU rücke derzeit nach rechts, um mit der AfD zu konkurrieren, da müsse man gegensteuern: "Europa braucht jetzt deutsche Sozialdemokraten". Von den Gewerkschaften höre er: "Der Koalitionsvertrag ist richtig, steigt ein in die Koalitionsarbeit."

Walter Haas, Hilden, 54 Jahre in der SPD, betonte, der Koalitionsvertrag bringe mehr, als er erwartet habe. Es gehe jetzt um die Frage "Wie können wir Inhalte mit wem umsetzen?" Seine Forderung: Die SPD solle sich "durch vernünftige Regierungspolitik" erneuern und das Spielfeld nicht verlassen, "sonst werden wir Wähler verlieren". Eine wachsende Bedrohung von rechts müsse vermieden werden - Verantwortung übernehmen, zeigen, dass man für solidarische Politik steht.

Jens Niklaus, Gruiten, ist ebenfalls für eine Neuaufstellung, "inhaltlich und personell". Und: "Wir brauchen den klaren Schnitt - in dieser Entscheidung liegt viel Potenzial, es gibt bessere Varianten."

Klaus Hänsch, 50 Jahre SPD, ehemaliger Europaparlamentspräsiden, ist auch "unzufrieden mit dem Koalitionsvertrag", glaubt aber nicht, dass sich die SPD in der Opposition besser erneuern könne. "Die Führung ist falsch gelaufen, wir hatten den falschen Kanzlerkandidaten und den falschen Vorsitzenden." Es habe mehrfache Wortbrüche gegeben und es sei nach der Wahl zu schnell Nein gesagt worden. Die zu Beginn des Abends formulierte Forderung "Die müssen alle weg" lehnt Hänsch ab. Wenn das käme, "dann fängt der innere Kampf in der Partei an und das müssen wir vermeiden." Die von einigen favorisierte Minderheitsregierung würde "eine Regierung Merkel in einem rechtslastigen Bundestag" bedeuten, sagte Hänsch, und ergänzte: "Wir wollen mitregieren, weil es besser für Deutschland ist. Weg mit den Bedenken - wir sind Gestaltungspartei."

Harald Müller Witt, Ratingen, 40 Jahre SPD, sieht "ein total fragiles Europa, eine total fragile Welt." Und sagt: "Es wird niemand begreifen, nachdem wir das alles verhandelt haben, wenn wird jetzt sagen, nee, dankeschön, wir machen es doch nicht. Wir werden schrecklichen Schiffbruch erleiden, wenn wir uns jetzt nicht der Verantwortung stellen."

Olaf Saffran, Erkrath, seit drei Wochen in der SPD, ist "bedingungslos für den Koalitionsvertrag" und findet eine Urwahl für den Parteivorsitz angemessen. Er könne einer Groko zustimmen, will aber eine personelle Erneuerung der Partei und eine Verbesserung ihres "grottigen Marketings". Kerstin Griese möge nach Berlin die Botschaft mitnehmen, "dass es so auf keinen Fall weitergeht."

Es meldeten sich bei der Versammlung mehr Groko-Befürworter als Kritiker zu Wort, aber Applaus gab es für beide. Die Mitgliederschaft gespalten, die SPD in der Zwickmühle. Kerstin Griese hatte schon zu Beginn des Abends gesagt: "Wir haben eine echt schwierige Entscheidung zu entscheiden.

(RP)
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