Kreis Mettmann Halt in der Not geben

Düsseldorf · Jürgen Draht hilft Opfern, Angehörigen und Rettungskräften seit zehn Jahren nach Unglücken und Tod.Der Kirchenkreis Düsseldorf/Mettmann ruft zum 1. Januar eine Stiftung Notfallseelsorge ins Leben.

Als der neunjährige Marc in Mettmann auf der Südstraße von einem Betonrohr überrollt und getötet wurde, begann für Jürgen Draht in diesem Jahr ein Einsatz, der ihm besonders nahe ging. Der Notfallseelsorger des evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf/Mettmann wurde zu Hilfe gerufen, um den Lehrern des Opfers zu helfen, seinen Mitschülern die Todesnachricht zu überbringen.

Damit solche Hilfe von Seelsorgern auch künftig möglich bleibt, hat der Kirchenkreis eine Stiftung gegründet, die am 1. Januar nach einem Jahr der Gründungsformalitäten mit ihrer Arbeit beginnt. Die Kirche will sich nicht den Sparzwängen in Zeiten knapper Mittel beugen und die Hilfe für Menschen in Not sicherstellen.

Ein älterer Mann erschießt seine Frau und dann sich selbst. Deren Kinder wissen nicht, wie sie die schlimme Nachricht ihren eigenen Kindern, den Enkeln der Toten, überbringen sollen. Ein Neunjähriger findet den Abschiedsbrief seiner Mutter, die sich getötet hat. Zwei Jugendliche nehmen sich das Leben, die Lehrer müssen es ihren Schülern sagen. Dies sind nur einige der erschütternden Fälle, bei denen Draht 2007 helfen konnte.

Auslöser war der Flughafenbrand

Seit 1996, seit dem Brand am Düsseldorfer Flughafen, kümmert er sich um Opfer, Angehörige und Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten nach Unglücksfällen. Seit 1997 ist er hauptamtlicher Notfallseelsorger, seit sechs Jahren gibt es hierfür eine eigene Pfarrstelle. Treibendes Element bei der Einrichtung der Notfallseelsorge-Pfarrstelle waren auch 250 Autobahnkilometer, die sich kreuz und quer durch den Kreis Mettmann ziehen. „Da kann kein Gemeindepfarrer hin, wenn es ein Unglück gegeben hat“, sagt Draht.

Er besucht regelmäßig die Dienststellen der Einsatzkräfte. Durch diese Kontakte und nach entsprechender eigener Ausbildung – Draht ist selbst Feuerwehrmann – weiß er, was Feuerwehrleute und Polizisten leisten, welchen psychischen, seelischen Belastungen sie ausgesetzt sind und welches Risiko posttraumatischer Erkrankungen besteht. Hilfe findet er nicht nur in seiner eigenen Kirche, sondern auch bei den Katholiken. Der Monheimer Krankenhausseelsorger Christoph Dörpinghaus unterstützt ihn bei der Notfallseelsorge. Ob ein katholischer oder ein evangelischer Geistlicher zur Stelle ist, das ist den Betroffenen meistens egal. Für sie geht es darum: Da ist jemand. Draht sagt: „Ich signalisiere, dass ich zuhöre.“ Das ist wichtig vor allem direkt nach einem schlimmen Ereignis, wenn Betroffene den Halt verloren haben, wenn ein Unglück den Menschen den Boden unter den Füßen weggerissen hat.

Trauer ist Liebe. Draht hilft dabei, Abschied zu nehmen. Mitschüler des getöteten Marc in Mettmann haben Papierblumen gebastelt und ihrem Klassenkameraden als letzten Gruß mit ins Grab gegeben.

Entscheidend für Eltern ist, sagt Jürgen Draht, mit Kindern zu reden. Mütter und Väter müssen keine Angst haben, bei Fragen zum Tod eines geliebten Menschen zu versagen. „Es ist nicht schlimm, etwas nicht erklären zu können.“

(RP)
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