Mettmann Im Wald gilt "Betreten auf eigene Gefahr"

Mettmann · Der Kahlschlag im Neandertal sorgt immer noch für Zündstoff. Der Kreis erklärte jetzt während einer Diskussionsveranstaltung, warum man die Verkehrssicherungspflicht nicht aushebeln kann.

 Im Neandertal drohten umgekippte Bäume den Verkehr zu behindern. Der Kreis entschloss sich zur Radikalkur und holzte ab dem Neanderthal Museum alles ab.

Im Neandertal drohten umgekippte Bäume den Verkehr zu behindern. Der Kreis entschloss sich zur Radikalkur und holzte ab dem Neanderthal Museum alles ab.

Foto: Dietrich Janicki

Wer heute durch das Neandertal fährt, kann nur noch erahnen, dass an den Hängen noch vor wenigen Jahren viele hohe Bäume standen. Der Kreis begründete den radikalen Kahlschlag mit der Verkehrssicherungspflicht. Doch nicht nur im Neandertal, auch an vielen anderen Stellen werden oft ohne viel Federlesens Bäume am Straßenrand gefällt. Warum, wieso - fragen sich die Bürger oft. Der Landschaftsbeirat des Kreises hatte deshalb eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung organisiert.

Unter dem Motto "Baum ab" war das Thema die Verkehrssicherung an Wegen und Straßen. Alfred Bruckhaus, Vorsitzender des Landschaftsbeirats, erklärte, das Thema sei "aus gegebenem Anlass" gewählt worden. Er meine damit jedoch nicht speziell die Schäden durch Orkan Ela, auch nicht den viel diskutierten Kahlschlag im Neandertal. Vielmehr sehe die Kreis-SPD schon lange Nachholbedarf bei der Verkehrssicherung. Trotzdem dürften die jüngsten Ereignisse Unsicherheit bei Grundstücks- und Waldbesitzern geweckt haben, die in der Bürgerveranstaltung ein Stück weit ausgeräumt werden sollte. Zunächst führte Georg Görtz, Leiter des Planungsamtes, in die Problematik der Verkehrssicherungspflicht (VSP) ein. Rechtliche Vorgaben, die sich vor allem aus einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2012 ergeben, standen dabei Vordergrund. Allgemein ist zu unterscheiden zwischen VSP in Wald und Flur auf der einen und VSP an Straßen und Wegen auf der anderen Seite. Im Wald besteht für den Waldbesitzer zunächst einmal keine VSP, da der Wald Natur ist und mit sogenannten waldtypischen Gefahren zu rechnen ist. Sie sind als allgemeines Lebensrisiko in Kauf zu nehmen, gleichsam als Preis dafür, dass der Waldbesitzer erholungssuchende Besucher zu dulden hat. Stichwort "Betreten auf eigene Gefahr". VSP besteht dagegen bei atypischen, also menschengemachten Gefahren, wie einem schlecht gesicherten Holzstapel. Auch auf Waldparkplätzen, Kinderspielplätzen im Wald oder Bänken besteht VSP, denn hier wird der Besucher implizit zum Aufenthalt eingeladen. An öffentlichen Straßen und Wegen besteht stets VSP. Mithilfe der einzelnen Rechtsvorschriften konnte Görtz begründen, warum der Kahlschlag die einzige Möglichkeit war, die Verkehrssicherheit im Neandertal wiederherzustellen.

Die anderen Experten, namentlich Forstwirtin Kirstin Nieland und Reinhart Hassel vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW, zeigten dann anschauliche Beispiele für mögliche Gefahrenquellen an Bäumen. Dazu gehören Risse an Druckzwieseln (Y-förmige Stammgabelungen), morsche Stämme und Äste durch Pilz- oder Insektenbefall und unsichere Standorte.

Besteht VSP, so müssen die Bäume in bestimmten Abständen (meist 18 Monate) von einer "Maßstabsperson" kontrolliert werden. Es genügt eine Sichtkontrolle vom Boden aus oder mit einfachsten Werkzeugen (Diagnosehammer).

Die Sorgfaltspflicht befreit den Waldbesitzer zwar von einigen Naturschutzgeboten, dennoch müssen Maßnahmen immer verhältnismäßig sein. Bäume seien Lebewesen und Lebensraum für Vögel und Insekten, auch tote Bäume. Nicht zuletzt seien Bäume ein Wirtschaftsfaktor.

(tpp)
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