Laut Bundessozialministerium: Renten steigen zum 1. Juli
EILMELDUNG
Laut Bundessozialministerium: Renten steigen zum 1. Juli

Mettmann SPD: Kisten packen im Bundestag

Düsseldorf · Rund 240 Sozialdemokraten, ehemalige Abgeordnete und Mitarbeiter, verlassen den Bundestag nach der Wahlschlappe und suchen einen neuen Job. Die Rückkehr in das "normale" Leben fällt Ex-Abgeordneten schwer. Besonders groß ist der Aderlass in der NRW-Landesgruppe.

So viel Pension bekommen die SPD-Minister
10 Bilder

So viel Pension bekommen die SPD-Minister

10 Bilder

Die Stille in dem großzügigen Eckbüro ist unerträglich. "Es ruft keiner mehr an", sagt Kerstin Griese, Bundestagsabgeordnete a. D. Verhandlungen über die neue Fraktionsspitze, Abstimmungen zwischen den Flügeln, das Buhlen um Posten — all das findet nun ohne die SPD-Politikerin aus Mettmann statt. Griese, Vorsitzende des Familienausschusses, Vorstandsmitglied und Kirchenbeauftragte ihrer Partei und einflussreiche Vertreterin der pragmatischen "Netzwerker" in der SPD, verlässt nach neun Jahren das Parlament. Notgedrungen. Platz 14 der NRW-Landesliste reichte nicht. 1998, als die SPD im Gefolge von Gerhard Schröder triumphierend mit mehr als 300 Abgeordneten ins Parlament kam, zog die Liste sogar bis Platz 36.

Die desaströse Wahlniederlage hat die SPD-Fraktion dezimiert. Ein regelrechter Aderlass findet in den Abgeordnetenräumen statt. 76 Ex-Parlamentarier müssen ihre Kisten packen, einen Job suchen. "Es ist, als würde man mit Tempo 150 gegen eine Glaswand knallen", sagt Griese und legt vorsichtig Erinnerungsstücke in die Umzugskartons. Ein Foto mit Gerhard Schröder, Glückwunschschreiben von Genossen, Bücher, kleine Geschenke. "Was soll ich damit bloß?", sagt sie. Ein Leben ohne die Politik? So richtig vorstellen kann sich die 42-Jährige das nicht. "Ich war eine Woche erstmal fertig und frustriert."

Vor ihrer Abgeordnetentätigkeit arbeitete die Historikerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf. Zurück will sie aber nicht. "Es gibt andere Möglichkeiten." Der Politik möchte die engagierte Sozialdemokratin nicht den Rücken kehren. "Ich kandidiere wieder für den Parteivorstand", sagt sie fast trotzig.

Mit Griese verliert die NRW-Landesgruppe nur einen von vielen prominenten Köpfen. Auch die Mönchengladbacherin Hildegard Wester, die Düsseldorfer Michael Müller und Karin Kortmann haben den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Auf Kortmann, bisher Entwicklungs-Staatssekretärin, wartet als SPD-Vorsitzende in Düsseldorf jede Menge Aufbauarbeit. Michael Müller, Noch-Staatssekretär im Umweltministerium, weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Fast die Hälfte seines Lebens, 26 Jahre, saß der 60-jährige SPD-Politiker im Bundestag. "Ich kann Fähigkeiten vorweisen, die vielleicht nicht mehr in der Politik, aber draußen erwünscht sind", umschreibt Müller sein Profil. Als Diplom-Ingenieur und langjähriger Umweltexperte könne er Wissenschaft und Politik gut verbinden.

Als großen Verlust in der Fraktion gilt der Weggang von Hans-Ulrich Krüger, ehemaliger Bürgermeister im niederrheinischen Voerde. Der finanzpolitische Sprecher arbeitete an den Gesetzen für die Banken-Rettungspakete mit, warb für den Finanz-TÜV und verteidigte zuletzt geschickt als Chef des Banken-Untersuchungsausschusses Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Der 57-jährige Vater von drei Töchtern wird parteiübergreifend als verlässlich und kompetent gelobt. Nur 345 Stimmen fehlten ihm im Wahlkreis Wesel für das Direktmandat. "Jeder, der so ein Amt anstrebt, weiß, worauf er sich einlässt", sagt er. "Ich habe den Schock verdaut." Bis Weihnachten will er sich Zeit lassen mit einer Entscheidung über seine Zukunft. Einen Job bei Banken oder Versicherungen kann sich der promovierte Jurist vorstellen.

Dank des Übergangsgeldes von rund 7000 Euro monatlich pro Abgeordnetenjahr fallen die Ex-SPD-Abgeordneten im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern weich. 120 Büroleiter, Wissenschaftler und Sekretärinnen sind mit ihren Chefs arbeitslos geworden. Jeder der will, konnte sich mit Foto und Lebenslauf in einer internen "Jobbörse" für eine Aufgabe bei den übriggebliebenen Parlamentariern vorstellen. Doch die Nachfrage ist groß. 20 Anfragen erhalten die Abgeordneten im Schnitt für drei bis vier Stellen. Sogar ein ausgeschiedener Abgeordneter hat sich als Büroleiter bei einem früheren Kollegen beworben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort